Shady Habash, * 1996 Ägypten, gestorben in ägyptischer Haft 2020

Shady Habash, * 1995 Ägypten, gestorben in ägyptischer Haft 2020

Der in ägyptische Rockmusiker und Aktivist Rami Essam gewann Anfang 2011 während des Volksaufstands gegen den damaligen Präsidenten Mubarak an Popularität. Danach konnte er sich im schwedischen Exil in Sicherheit bringen.

Im März 2018 wurde ein Musikvideo zum Song «Balaha» veröffentlicht. Darin verspottet der quirlige Rockmusiker und Aktivist Essam den ägyptischen Präsident Abdel Fattah al-Sisi und kritisiert die Zustände in seinem Heimatland. 

Präsident Al-Sisi wird als «Balaha» bezeichnet – wörtlich «Dattel», umgangssprachlich aber auch eine Bezeichnung für einen berüchtigten Lügner. 

Das Video wurde auf YouTube mehr als fünf Millionen Mal angesehen.

Der 22-jährige Filmemacher Shady Habash und ein Mitarbeiter, die das Musikvideo produziert hatten, wurden zwei Tage nach der Veröffentlichung des Videos in Ägypten festgenommen. Ihnen wurde unter anderem vorgeworfen, Falschnachrichten verbreitet und das Militär beleidigt zu haben sowie Mitglied in einer terroristischen Vereinigung zu sein. 

Der Rockmusiker Essam erklärte dagegen öffentlich, Habash habe mit dem Inhalt des Songs nichts zu tun. Das Musikvideo sei lediglich eines seiner vielen Regie-Projekte in der Nahost-Region gewesen. Als anerkannter Fotograf und Regisseur habe er stets an Projekten im Nahen Osten gearbeitet, und „Balaha“ sei nur eines von vielen Musikvideos gewesen, für die er Regie führte. „Wir wollten einen Dialog starten darüber, wo Ägypten gerade steht – und wo es stehen könnte“, schrieb Essam. „Unsere Kunst ist nicht dafür gemacht, dass Menschen kämpfen. Es ist Musik, es ist, was wir fühlen. Es ist ein Lied.“Auf seiner Website erinnert der Musiker auch an seinen ehemaligen Social-Media-Berater Mustafa Gamal und an Galal El-Behair, den Schöpfer des Textes zu „Balaha“, die ebenfalls in Haft sind.

Das half alles nichts. Ein Prozess fand nicht statt. 

Verzweifelt schrieb der junge Filmemacher Shady Habash 2019 nach anderthalb Jahren Haft im berüchtigten Tura-Hochsicherheitsgefängnis in Kairo im letzten Brief an seine Freunde:

„…I’m dying slowly because I know I’m standing alone in front of everything…“ (Es ist nicht das Gefängnis, das tötet, es ist die Einsamkeit, die tötet … ich sterbe jeden Tag langsam…Ich brauche eure Unterstützung, um nicht zu sterben…)

Der Rockmusiker Essam startete nach diesem Hilferuf ein Unterstützungsprojekt, in dem er Habashs Zeilen aus dem Gefängnis zu einem Song komponierte.

„Wir begannen mit der Arbeit an diesem Projekt drei Tage vor seinem Tod – dieser Song sollte Teil einer Kampagne für seine Freilassung sein. In der Nacht, als Shady diese Welt hinter sich ließ, wurden seine Worte aufgezeichnet.

 Der Track ist all jenen gewidmet, deren Menschenrechte verletzt werden, die inhaftiert sind und darauf warten, dass wir Maßnahmen für ihre Freilassung ergreifen. Hören Sie es sich an, als käme es von jemandem, den Sie kennen, der festgenommen wird und um Ihre Hilfe bittet. Engagieren Sie sich. (Ramy Essam) „

Mit Beginn der Corona-Pandemie Anfang März 2020 setzten die Behörden Gefangenenbesuche und die Arbeit der Gerichte aus. Nun konnte Habash auch niemanden mehr sehen.

Am 1. Mai 2020, nach zwei Jahren Gefangenschaft, starb der 24-Jährige. Die Todesursache war zunächst unklar. „Sein Gesundheitszustand hatte sich seit mehreren Tagen verschlechtert…. Er wurde ins Krankenhaus eingeliefert und kehrte gestern Abend ins Gefängnis zurück, wo er in der Nacht starb “, sagte sein Rechtsanwalt. Auch psychisch sei er in schlechter Verfassung gewesen.

Der ägyptische Staatsanwalt verlautbarte, Habash habe in seiner Zelle irrtümlich Handdesinfektionsmittel getrunken, weil er dachte, es sei Wasser.

Der Autorenverband „PEN America“ sprach von einem «verheerenden Schlag gegen die künstlerische Freiheit». «Künstler gehen Risiken ein, aber sie sollten nicht mit ihrem Leben bezahlen müssen». 

„Mit Habashs Tod hat (Sisi) ein beunruhigendes Signal an den Rest der Welt gesendet: Teilen Sie Ansichten, mit denen ich nicht einverstanden bin, und Sie könnten de facto zum Tode verurteilt werden“, sagte Julie Trebault, Direktorin des „PEN America Artists at Risk“ – Programms.

Das arabische Netzwerk für Menschenrechtsinformationen (ANHRI) sagte in einem Twitter-Beitrag, Habash sei an den Folgen von „Nachlässigkeit und mangelnder Gerechtigkeit“ gestorben.

Präsident Al-Sisi geht seit seiner Machtübernahme im Jahr 2013 mit äußerster Härte gegen Kritiker vor. Menschenrechtlern zufolge wurden seitdem mindestens 60.000 Menschen inhaftiert. Darunter sind viele Aktivisten und politische Oppositionelle. Zahlreiche Prominente sind ins Exil geflohen, darunter Schauspieler und Schriftsteller.

Menschenrechtsverteidiger befürchten die Ausbreitung des Virus in überfüllten Gefängnissen und fordern die Freilassung politischer Gefangener und Häftlinge, die auf den Prozess warten.

Amnesty dokumentierte 2020 allein 37 Fälle von Journalisten, die wegen des eskalierenden Vorgehens der Regierung gegen die Pressefreiheit inhaftiert waren. Viele von ihnen wurden beschuldigt, „falsche Nachrichten verbreitet“ oder „soziale Medien missbraucht“ zu haben.

Quelle: https://de.qantara.de/content/aegyptischer-filmemacher-shady-habash-stirbt-im-gefaengnis , dpa, AP, https://en.wikipedia.org/wiki/Ramy_Essam

https://www.timesofisrael.com/young-egyptian-filmmaker-who-mocked-sissi-dies-in-jail/ vom 3. Mai 2020

Künstler: Patrick MacAllister