Arabische Republik Ägypten
„Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen von … Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, gefolgt von unfairen Gerichtsverfahren, waren an der Tagesordnung“, so beschrieb amnesty international die Situation in Aegypten im Jahr 2017. Von Reporter ohne Grenzen wurde das Land im Jahre 2019 hinsichtlich der Presse- und Meinungsfreiheit demgemäss auf Platz 163 von insgesamt 180 Ländern gesetzt.
Mohamed Mursi Isa al-Ayyat war im Juni 2012 zum Staatspräsidenten Ägyptens gewählt worden. Er war der Nachfolger von Hosni Mubarak, dem langjährigen Diktator, der durch die Arabische Revolution in Ägypten aus dem Amt geworfen worden war. Mursi kam aus der Führungsriege der Muslimbruderschaft, einer sunnitisch-islamistischen Organisation, die im Jahre 1928 in Ägypten gegründet worden war. Die Muslimbrüder haben Wohltätigkeit und für jedermann sichtbare strenge Religiosität auf ihre Fahnen geschrieben. Die Hoffnung der Aegypter, die ihn gewählt hatten, daß viele wohltätige Projekte entstehen würden, blieb jedoch unerfüllt. Statt wirtschaftliche und soziale Reformen in die Wege zu leiten, konzentrierte sich Mursi darauf, die Machtposition der Islamisten in Aegypten langfristig zu stärken und abzusichern. Es entstand eine schwere Wirtschaftskrise, mit der Folge, dass ca. 40 Millionen Ägypter/innen unter bzw. an der Armutsgrenze lebten. So war es nur folgerichtig, dass Massenproteste gegen diese Politik stattfanden. Sie wurden von bewaffneten Einheiten der Muslimbrüder gewaltsam aufgelöst (6, S.9). Mursi wurde schließlich im Juli 2013 durch einen Militärputsch abgesetzt.
Abdes Fattah al-Sisi putscht sich blutig an die Macht
In den folgenden Monaten setzten Massenproteste gegen den Putsch ein, Demonstranten wurden erschossen, Regierungsgegner wurden in Schnellprozessen zum Tode verurteilt, Anhänger der Muslimbruderschaft und demokratische Politiker und Aktivisten inhaftiert, Medien gleichgeschaltet.
Al Sisi wurde schliesslich im Juni 2014 zum Staatspräsidenten Ägyptens gewählt: Er erhielt 97 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 46 %. In den beiden Jahren zuvor war er 0berbefehlshaber der ägyptischen Streitkräfte, Minister für Verteidigung und Militärproduktion und stellvertretender Ministerpräsident gewesen und vor seiner Wahl von seinen Ämtern im Militär zurück getreten (5, S. 2 f.).
Sobald er im Amt war, etablierte auch al-Sisi wieder ein diktatorisches Regime. So wurde z.B. vor dem 5. Jahrestag der Revolution gegen Mubarak, im Juni 2016 das Militär in die großen Städte geschickt, um etwaige Mubarak-Anhänger an Demonstrationen zu hindern; es gab tausende Wohnungsdurchsuchungen und Verhaftungen. Der Terrorismus von Ablegern des Islamischen Staates eskalierte, wofür Präsident al-Sisi wiederum die Muslimbrüderschaft verantwortlich machte. Er reagierte, in dem er verschärfte Antiterrorgesetze per Dekret erließ: Todesstrafe und lebenslängliche Haft konnten nunmehr unter erleichterten Bedingungen verhängt werden.
Die wirtschaftliche Lage im Land verschlechterte sich ab Mitte des Jahres 2016 weiterhin. Alltagsgüter und Grundnahrungsmittel wurden knapp und letztere zwischen 20 und 50 % teurer. Die Inflationsrate war gestiegen und lag im Jahr 2017 bereits bei 23,5 %. Die Arbeitslosigkeit lag offiziell im Jahre 2017 bei 12,1 %, hinzukam eine hohe verdeckte Arbeitslosigkeit. Davon betroffen waren vor allem junge Menschen: 70 % der Arbeitslosen sind zwischen 15 und 29 Jahren alt. All das führte erneut zu Unruhen in der Bevölkerung. Daraufhin hat sich infolge verschiedener Reformen der Regierung al-Sisi die Wirtschaft etwas erholt: die Inflationsrate sank bis April 2018 auf 13,1 % und der Tourismus hatte wieder stärkeren Zulauf: 8,3 Millionen Gäste kamen im Jahr 2017 nach Ägypten gegenüber 5,4 Millionen Gästen in 2016 (3, S. 28; 4, S.32 f.)
Al-Sisi sichert sein diktatorisches Regime
Die Arbeit ausländischer NG0s wurde durch ein Gesetz vom Mai 2017 erheblich behindert: nur mehr mit Genehmigung einer ägyptischen Aufsichtsbehörde durften sie tätig werden, inländische Organisationen mussten sich gegen hohe Gebühren registrieren lassen.
Nur 2 Monate zuvor einigte sich Bundeskanzlerin Merkel mit Präsident al-Sisi über die Tätigkeit deutscher politischer Stiftungen in Ägypten. Nach jahrelangen Gesprächen vereinbarten sie ein Zusatzabkommen zum deutsch-ägyptischen Kulturabkommen, das den Stiftungen erlaubte, ihre Arbeit fortzusetzen. Diese wurde allerdings nunmehr von ägyptischer Seite auf kulturelle, erzieherische, wissenschaftliche und technische Bereiche beschränkt. Solche Aktivitäten der Stiftungen müssen zukünftig von einem Gremium genehmigt werden, dem Vertreter der Stiftungen, des ägyptischen Aussenministeriums und anderer Regierungsstellen angehören. Dies veranlasste einige deutsche Stiftungen, ihre Arbeit in Ägypten aufzugeben (7, S. 20 f.).
Deutsch-ägyptische Regierungskooperation
In den betreffenden deutsch-ägyptischen Regierungsgesprächen ging es aber nicht nur um die Stiftungen, sondern auch z.B. um Kooperation in der Flüchtlingsfrage und um die instabile Lage in Libyen. Darüber hinaus erstreckte sich die Kooperation auf lukrative Rüstungsgeschäfte: Im September 2017 genehmigte die deutsche Regierung Rüstungsexporte in Höhe von 285 Millionen € an Ägpten. Im gesamten Jahr 2017 betrug der Wert schliesslich sogar 428 Millionen €. Damit zählte Ägypten zu den fünf
wichtigsten Empfängern deutscher Wehrtechnik weltweit. Dies, obwohl al-Sisi
-völkerrechtswidrig – Streubomben gegen Islamisten auf der Sinai-Halbinsel eingesetzt hatte und die gravierenden Menschenrechtsverletzungen seitens des ägyptischen Sicherheitsapparats bekannt waren (7, S. 17, 20 f; 3, S. 28; 13). Damit nicht genug: allein im 3. Quartal 2020 (1.7. bis 30.9.) belief sich der Genehmigungswert für Kriegswaffenexporte Deutschlands nach Ägypten auf einen Wert von fast 300 Mio. €. Im gesamten Jahr 2020 (bis einschließlich 17. 12.) betrug der Genehmigungswert für Kriegswaffen und militärische Ausrüstung sogar 752 Mio. € (13; 20). Inzwischen ist Ägypten Konfliktpartei in Libyen, ist am Jemenkrieg und am Streit um Gasfelder im Mittelmeer beteiligt (19) und wehrt sich al-Sisi gegen Friedensbemühungen der UN, der EU und Deutschlands in dieser Region (13).
Die Bundesregierung hat Ägypten in den vergangenen Jahren großzügig unterstützt: Sie hat sich u.a. dafür eingesetzt, daß Ägypten im Jahre 2016 einen Kredit vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 12 Milliarden $ erhielt (13). Und sie hat außerdem mit der ägyptischen Regierung im April 2017 ein Abkommen über Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich vereinbart. Offizielles Ziel war der Kampf gegen Terrorismus, Menschen-, Drogen- und Waffenhandel. Die deutsche Bundespolizei, das Bundes- und das Zollkriminalamt beraten ägyptische Behörden nunmehr in Fragen der Grenzsicherung und der „irregulären Migration“.
Zu diesen Unterstützungsleistungen hinzu kommt noch der riesengroße Waffendeal, von dem zuvor bereits die Rede war (7, S. 21;13, S. 2). Ägypten, der „Stabilitätsanker“ im Nahen Osten – die Tatsachen sprechen dieser offiziellen Begründung Hohn! (14).
Innenpolitik
In einem Gesetz vom April 2017 wurde festgelegt, dass die Vorsitzenden der 4 höchsten Justizgremien nunmehr von al-Sisi selbst ernannt werden würden. Dies betraf u.a. das Kassationsgericht, d.i. Ägyptens oberstes Bundesgericht, und das 0berste Verwaltungsgericht. Beide Gerichte hatten bis dahin als unabhängig gegolten und waren berechtigt, auch die Exekutive zur Verantwortung zu ziehen. Die Gewaltenteilung im ägyptischen Staat war damit abgeschafft (1, S. 76; 3, S. 27).
Innenpolitisch verschärfte al-SiSi seine repressive Politik gegen Oppositionelle: sie hatten willkürliche Festnahmen, Entführungen und Gewalt von Seiten der Sicherheitskräfte zu befürchten. Dies galt insbesondere vor den folgenden Präsidentschaftswahlen im März 2018. Al-Sisi wurde mit 97 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von nur 41,1 % im Amt bestätigt. Zahlreiche oppositionelle Kandidaten waren zuvor unter Druck gesetzt, festgenommen, verurteilt oder verschleppt worden (4, S. 31).
Die repressive Politik al-Sisis gefährdet die Stabilität im Innern. Sie begünstigt das Entstehen korrupter Praktiken auf allen Verwaltungsebenen und führt dazu, dass wirtschaftliches Wachstum nicht entstehen kann. Externe Investoren bleiben fern. Die Armut im Land nimmt zu: 2019 lebten ca. 60 % aller Ägypter/innen in Armut oder waren armutsgefährdet. Dieser Anteil steigt permanent (Weltbank; 13, S.3).
Außenpolitik
Die USA hatten Ägypten als Partner im Kampf gegen den Islamismus zunächst mit Waffenlieferungen und jährlichen finanziellen Militärhilfen in Höhe von 1,3 Milliarden $ unterstützt. Ende 2017 kürzte Obama die Militärhilfen und hielt einen Teil davon unter Berufung auf die Menschenrechtsverletzungen im Land zurück (10; 4, S. 31).
Die Beziehung zwischen Ägypten und Russland wurden demgegenüber intensiviert, z.B. durch Weizenlieferungen Russlands an Ägypten, durch Förderung des Tourismus seitens der Russen und durch Vorbereitung eines Kooperationsabkommens zwischen der ägyptischen und der russischen Regierung: So sollten nunmehr Kampfflugzeuge beider Länder militärische Einrichtungen des jeweils anderen Landes nutzen dürfen.
Seit 2018 entsteht auch eine intensive Kooperation mit Saudi-Arabien, das auf der Sinai Halbinsel ein Großprojekt -z.T. auf ägyptischem Hoheitsgebiet- plant.
Vorgesehen sind der Bau eines Technologieparks und einer Mega Stadt, gemeinsame Elektrizitäts- und Tourismusprojekte und eine Brücke, die Saudi-Arabien mit Ägypten verbindet (4, S. 31).
Ägypten ist Anrainerstaat des Nil und bezieht 90 % seines Wasserbedarfs aus diesem Fluss. Derzeit baut Äthiopien einen Staudamm, den „Großen Äthiopischen Renaissance Damm“, 1870 m lang, 145 Meter hoch, 10 Millionen Tonnen schwer. Über dieses Bauwerk gibt es Streit zwischen Ägypten und Äthiopien, insbesondere über die Frage, wann mit dem Auffüllen des Damms begonnen werden soll. In Washington haben inzwischen Vermittlungsgespräche begonnen (17).
Menschenrechte
Schwere Menschenrechtsverletzungen haben seit der Machtübernahme al-Sisis im Jahre 2013 erheblich und stetig zugenommen.
In einem Bericht von Juli 2016 stellte amnesty international fest, dass in den drei Jahren zuvor mindestens 34 000 Personen ohne Rechtsgrundlage inhaftiert worden seien (9). Viele von ihnen wurden gefoltert: „Schläge, Elektroschocks und Herausreissen der Fingernägel – in ägyptischen Gefängnissen wird regelmäßig gefoltert“ – so berichtet amnesty international (7, S. 35). Das Nadeem-Zentrum für die Rehabilitierung der Opfer von Gewalt und Folter (Al Nadeem Center for Rehabilitation of Victims of Violence) wurde im Februar 2017 geschlossen. Es war die einzige Organisation in Ägypten, die sich der Gefolterten annahm (1, 76).
Homosexuelle blieben unbehelligt, bis al-Sisi an die Macht kam. Obwohl Homosexualität nach ägyptischen Recht nicht strafbar ist, sind nunmehr Schwule beiderlei Geschlechts „Staatsgefährder“ und werden als solche strafrechtlich verfolgt. So z.B. Sarah Hegazy, eine Frau, die sich für Schwule öffentlich eingesetzt hatte: sie wurde 3 Monate lang in Kairoer Gefängnissen schwer gefoltert und erniedrigt. Sie floh nach Kanada und beging dort Selbstmord (15).
Nach Angaben mehrerer NGOs sind seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohamed Mursi durch das Militär im Jahr 2013 schätzungsweise 60.000 politisch engagierte Menschen in Ägypten festgenommen worden, darunter säkulare Aktivisten, Journalisten/innen, Anwälte/innen, Künstler/innen und Islamisten. Amnesty International beschuldigt die ägyptischen Behörden, „ … Journalismus in ein Verbrechen verwandelt zu haben“(9; 13, S.2).
Sicherheitskräfte nahmen im Jahr 2017 hunderte Personen wegen erwiesener oder angenommener Mitgliedschaft bei den Muslimbrüdern in ihren Wohnungen oder am Arbeitsplatz fest. Andersdenkende wurden z.T. länger als zwei Jahre in Untersuchungshaft gehalten, um sie zu strafen. Die gesetzlich zulässige Zeit beträgt zwei Jahre. Manche politische Aktivisten wurden zwar freigelassen, mussten aber bis zu 12 Stunden täglich auf einer örtlichen Polizeiwache zubringen (1, S. 77 f.). Im November 2020, wurden erneut zwei Menschenrechtsaktivisten verhaftet und zu einer langen Haftstrafe verurteilt (14).
Eine andere übliche und ebenso einschneidende Misshandlung für Personen, die aus politischen Gründen inhaftiert wurden, ist lang andauernde oder zeitlich unbegrenzte Einzelhaft. Zahlreiche Gefangene sterben, weil ihnen medizinische Versorgung verweigert wird (1, S. 78).
Es gab weiterhin unfaire Massenprozesse vor Zivil- und Militärgerichten, in vielen Fällen endeten sie mit Verhängung der Todesstrafe. Unfair waren diese Prozesse, weil die Gerichte sich bei der Urteilsfindung auf Informationen der Geheimdienste stützten und weil sie Geständnisse einbezogen, die unter Folter zustande gekommen waren (1, S.79).
Die Zahl der Verschwundenen stieg: in der kurzen Zeitspanne zwischen März und Juni 2015 verschwanden z.B. 167 säkulare oppositionelle Politiker und Aktivisten, die am Aufstand des Jahres 2011 beteiligt waren (5, S. 4). Hinrichtungen nahmen rapide zu: Von Anfang 2017 bis Ende 2018 wurden 92 Menschen, im Oktober 2020 wurden in 10 Tagen 49 Menschen hingerichtet (5, S. 5; 13, S . 29).
Neuerdings haben landesweit Proteste gegen das korrupte Militärregime al-Sisis stattgefunden. Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge soll es danach mehr als 500 politisch motivierte Festnahmen gegeben haben (16).
Frauenrechte
Frauen und Mädchen sind sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt und werden durch Gesetze und im Alltag diskriminiert.
Fast jede Ägypterin ist schon einmal sexuell belästigt worden, berichtet amnesty international – auch deshalb gelte Kairo als weltweit gefährlichste Millionenstadt für Frauen (7, S. 25). Im Jahre 2005 erlitten 96,4 % der ägyptischen Mädchen, die zu dieser Zeit zwischen 10 und 14 Jahre alt waren, eine Genitalverstümmelung, so berichtet USAID (Agency for International Development) im Jahre 2005. In einem Interview zu Fragen der Genitalverstümmelung beschreibt die Autorin Nora Amin, daß ägyptische Frauen traditionsgemäss lernen, ihren Körper zu hüten und nun gezwungen würden, sich vor Fremden völlig zu entblößen. 0hne Betäubung schneiden diese Fremden den Frauen einen Teil ihres Körpers ab: das sei eindeutig Folter. Die Frauen erleiden während dessen große Schmerzen, die während ihres ganzen Lebens fortdauerten. Sie würden dadurch lebenslänglich traumatisiert. Dies alles träfe auf mehr als 90 % aller ägyptischen Frauen zu (7, S. 25).
Im Jahre 2012 fand in Ägypten ein Verfassungsreferendum statt, in dessen Verlauf die Gleichstellung der Frau aus dem Verfassungsentwurfgestrichen wurde.
Presse- und Meinungsfreiheit
Wie schon in den Jahren zuvor, kommt es auch unter der Regierung al-Sisi permanent zu Strafprozessen gegen Journalisten/innen, z.B. wegen des Vorwurfs der Unterstützung einer Terrororganisation, der Verbreitung von Falschinformationen, Beleidigung des Islam, Diffamierung, wegen Verstosses gegen die öffentliche Moral, etc. Von Januar bis Mai 2017 wurden mindestens 15 Journalisten zu Gefängnisstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren verurteilt. Laut Reporter ohne Grenzen waren Mitte des Jahres 2017 mindestens 22 Journalisten inhaftiert. Geldstrafen, zeitlich begrenzte oder lebenslängliche Freiheitsstrafen bis hin zu Todesstrafen werden verhängt, z.B. wenn es z.B. um den angeblichen Verrat von Staatsgeheimnissen oder um Bombenangriffe geht.
Den Sicherheitskräften garantiert das Gesetz Straffreiheit, vorausgesetzt, sie wenden „verhältnismäßige Gewalt“ an, wenn sie ihre Arbeit machen. Journalisten dagegen müssen mit hohen Strafen rechnen, wenn ihre Berichte über Terroranschläge und Antiterroroperationen der offiziellen Darstellung widersprechen (2, S. 29).
Am 19. 11. 2016 wurde Yehia Qalasch, Präsident des ägyptischen Journalistenverbandes, sowie zwei weitere Mitglieder des Vorstands zu jeweils zwei Jahren Haft verurteilt. Ihnen war vorgeworfen worden, zwei regimekritische Journalisten in den Räumen des Verbandes vor der Polizei versteckt zu haben (3, S. 28).
Einer von ihnen war der Fotojournalist Mahmoud Abu Zeid, genannt „Shawkan“: er war 2013 in Haft genommen worden, nachdem er die gewaltsame Auflösung eines Protestcamps von Anhängern Mursis dokumentiert hatte. Im Jahr 2016 wurde er wegen Waffenbesitzes, Teilnahme an einer illegalen Versammlung und wegen Mordes angeklagt. Während des gesamten Jahres 2017 blieb er in Haft, während das Verfahren gegen ihn und 738 Mitangeklagte weiter lief. Sein Prozess wurde mehrmals verschoben. Wird er verurteilt, droht ihm die Todesstrafe. Wiewohl er an Hepatitis C erkrankt ist, wird ihm Haftverschonung verweigert (3, S. 28).
Ab Mai 2017 wurden mindestens 434 Internetseiten gesperrt, unter ihnen die von „Al-Jazeera“. Ebenso traf es unabhängige online Zeitungen wie MadaMasr und ein Informationsblatt von Menschenrechtsorganisationen „Arab Network for Human Rights Information“. Zwischen April und September 2017 nahmen die Sicherheitskräfte mindestens 240 politische Aktivisten/innen und Protestler/innen in Gewahrsam. Sie wurden beschuldigt, den Präsidenten in ihren online-Kommentaren beleidigt, bzw. an nicht genehmigten Protestaktionen teilgenommen zu haben (1, S.77).
Amnesty dokumentierte allein im Jahr 2020 37 Fälle von Journalisten, die wegen des aggressiven Vorgehens der Regierung gegen die Pressefreiheit inhaftiert waren. Viele von ihnen wurden beschuldigt, „falsche Nachrichten verbreitet“ oder „soziale Medien missbraucht“ zu haben (8).
Im Oktober 2020 haben 280 Abgeordnete, darunter Kongressabgeordnete und Senatoren aus den USA, 30 Bundestagsabgeordnete aus Deutschland und Abgeordnete aus anderen EU-Ländern einen Brief nach Kairo versandt, in dem sie die Freilassung politischer Gefangener fordern, „bevor deren ungerechtfertigte Haft wegen der Corona-Pandemie zu einem Todesurteil wird“ (10).
Die Menschenrechtsverletzungen in Ägypten sind derweil so massiv, dass auch das Europäische Parlament zwischen Februar und Oktober 2019 drei diesbezügliche Dringlichkeitsresolutionen verabschiedet hat (13, S. 2).
In krassem Gegensatz dazu hat der französische Präsident Macron den ägyptischen Präsidenten al-Sisi im Dezember 2020 eingeladen und ihm das Großkreuz der Ehrenlegion verliehen: die höchste Ehre, welche die Republik zu vergeben hat (19).
„Hoffnung lässt sich nicht verstümmeln“, so schreibt amnesty international über die Mitarbeiterinnen des Nadeem-Zentrums. Doch dieses Team „gibt nicht auf. Es hält gemeinsam mit anderen mutigen Ägypter_innen die Hoffnung auf eine Zukunft am Leben, in der die Menschenrechte geachtet werden“ (7, S. 35). Im April 2018 wurden die Gründerinnen des Nadeem- Zentrums mit dem amnesty-Menschenrechtspreis ausgezeichnet.
Eine Frau, Laila Seif, Mathematikprofessorin, die aktiv in der ägyptischen Revolution gekämpft hat und deren Kinder seit Jahren unter entwürdigenden Bedingungen im Gefängnis ausharren, sagt über die derzeitigen Machthaber in Ägypten: “…sie können nicht genießen, was sie erreicht haben. Das ist einer der Gründe, warum sie so wütend auf uns sind. Wir sind nicht machtlos, wir sind die Spielverderber ihres Triumphs über die Revolution. …Sie wissen, dass die Lage hier instabil ist und am Ende in einem neuen Aufstand oder einem Exodus endet“ (18).
Stand 4. 1. 2021
Abschließend sollen noch einige Schriftsteller/innen aus Ägypten vorgestellt werden, die ins deutsche übersetzt und hier, z. T. auch weltweit, bekannt wurden. Es handelt sich allerdings nur um eine Auswahl…
Alaa al-Aswani (*1957)
Der Jakubijân-Bau, 2002
Ich wollt‘, ich würd‘ Ägypter, 2009 I
Im Land Ägypten, 2011
Der Automobilclub von Kairo, 2013.
Aala al-Aswani ist als Zahnarzt, Journalist und Schriftsteller tätig. Er lebt in Kairo und hat sich mit seinen literarischen und journalistischen Texten immer wieder für ein freies demokratisches Ägypten eingesetzt. Im Jahr 2011 war er unter den vielen Menschen, die am Tahrir Platz in Kairo gegen Mubarak protestierten.
Edwar al-Charrat (1926 – 2015)
Safranerde 1985
Der Autor ist Jurist und hat in verschiedenen Berufen gearbeitet, u.a. auch als Journalist und im Kontext afro-asiatischer Schriftstellerorganisationen. In den vierziger Jahren war er in der Nationalen Bewegung aktiv und musste deshalb unter Faruk für zwei Jahre in ägyptische Konzentrationslager in Abukir und Tur.
Gamal al-Ghitani (1945 – 2015)
Seini Barakat, 1974 bzw. 1975
Der safranische Fluch oder Wie Impotenz die Welt verbessert,1976.
Gamal al-Ghitani wird auch der „arabische Orwell“ genannt. Mit dem Roman „Der safranische Fluch“ hat er eine glänzende Parodie auf doktrinäre Ideologien verfaßt.
Nawal El Saadawi (* 1931)
Ich spucke auf Euch, 1984
Gott stirbt am Nil, 1986
Hamidas Geschichte, 1989
Der Sturz des Imam, 1991
El Saadawi, ägyptischeVorkämpferin für die Befreiung der Frauen, war zunächst als Hebamme, dann als Ärztin tätig und wurde später Direktorin des Gesundheitsamtes in Kairo. Nach der Veröffentlichung ihres ersten Buches „Frauen und Sexualität“ wurde sie ihres Amtes enthoben. Ihre Schriften kamen auf den Index..
Nagib Machfuz (1911-2006)
Das junge Kairo, 1945
Die Midaq Gasse, 1945
Zwischen den Palästen, 1956
Palast der Sehnsucht, 1957
Zuckergässchen 1957
Die Kinder unseres Viertels, 1959
Die Spur, 1964
Das Hausboot am Nil, 1966
Miramar, 1967
Ehrenwerter Herr, 1975
Das Lied der Bettler, 1977
Die segensreiche Nacht, 1994
Nagib Machfuz, von konservativen islamischen Kreisen wegen seiner liberalen Haltung immer wieder angegriffen, konnte seinen großen Roman „Die Kinder unseres Viertels“(1959) erst Jahre später (2006) in Ägypten auf arabisch publizieren.
Wegen seiner Unterstützung des Friedensprozesses mit Israel wurde er von fundamentalistischen und arabisch-nationalistischen Kreisen scharf kritisiert. In der Verleihung des Literatur-Nobelpreises 1988 an Machfuz sahen Islamisten eine Provokation des Westens. 1994 wurde er von einem islamistischen Attentäter angegriffen und überlebte schwerverletzt. Er starb -schwer erkrankt- im Jahre 2006 in einem Kairoer Krankenhaus.
Alifa Rifaat (1930 – 1996)
Zeit der Jasminblüte,1988
Aus eigenem Erleben und genauem Beobachten erzählt Alifa Rifaat aus der Welt arabischer Frauen…
Anmerkungen:
1) Ägypten, in: amnesty international, Report 2017/2018, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte, Frankfurt 2018, S. 75 ff.
2) Ägypten, in: Der neue Fischer Weltalmanach 2017, S.27 ff.
3) Ägypten, in: Der neue Fischer Weltalmanach 2018, S.27 ff.
4) Ägypten, in: Der neue Fischer Weltalmanach 2019, S.30 ff.
5) Wikipedia, Abd al-Fattah as-Sisi, abgerufen am 21. 9.2020
6) Wikipedia, Muslimbrüder, abgerufen am 21. 9. 2020
7) Amnesty Journal, Ägypten unter SiSi, Heft 04/05, 2018, S. 12 – 34
8) Tod im Kairoer Knast, in: Tageszeitung 4. Mai 2020
9) Die geraubte Lunge. Weil sie auf einem Konzert in Kairo die Regenbogenflagge schwang…., in: Tageszeitung 17. Juni 2020
10) Shadi Abu Zaid. Ägyptischer Satiriker endlich frei, in: Süd-
Deutsche Zeitung, 20.10. 2020
11) Kriegswaffen für Ägypten, in: Tageszeitung, 13. 10. 2020
12)“Direkte Antwort“. Ägypten verhaftet prominente Menschenrechtsaktivisten, in: Süddeutsche Zeitung 20. 11. 2020
13) Menschenrechtsverletzungen in Ägypten alarmierend,
https://www.gruene-bundestag.de…abgerufen am 4.12. 2020, S. 1-3
14) Ägypten. Verlogenes Gerede, in: Süddeutsche Zeitung, 20. 11. 2020
15) Der ägyptische Patient, in: Süddeutsche Zeitung, 24. 8. 2020
16) No justice, no peace! Zehn Jahre Revolte von Tunis bis Teheran,
in: adopt a revolution, Winter 2020/2021, S. 3
17) Johannes Dieterich, Aufgestauter Ärger,
in: Frankfurter Rundschau, 28. 1. 2020
18) Zitat aus: Karim El Gawhari , „Statt Hoffnung eine gehörige Portion Wut“, in: Tageszeitung, 17. 12. 2020
s.a. Karim Al-Gawhary, Der nächste Sturm zieht auf, in: ebenda
19) Mathieu von Rohr, Mohamed Bouazizis Erbe, in: Der Spiegel, Nr. 51, 12.12. 2020, S. 86 f.
20) Kriegswaffen für Ägypten, in: Tageszeitung, 13. 10. 2020; Deutsche Waffen für Nahost, in: Frankfurter Rundschau, 4.1.2021
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