„Es ist
wirklich so, dass sich beim Zeichnen der Journalisten bei mir eine
Beklommenheit breit gemacht hat. Ich überlegte wirklich, ob ich es aushalten
würde, von einem Menschen mit dem mir bekannten Schicksal der Ermordung
so extrem nahe zu kommen. Es beschlich mich der Gedanke: „ Ist das jetzt nicht
pietätlos? Ich sitze hier und zeichne, der Mensch hat sein Leben für die
Gerechtigkeit und die Freiheit aufs Spiel gesetzt und ich zeichne!?“ Dann
regte sich bei mir Wut und Auflehnung gegen das Regime und es wurde mir klar:
das muss jetzt sein. Ich fühlte mich solidarisch und das gab mir die Kraft,
weiter zu zeichnen.“
„Schon bei den ersten Versuchen merkte ich, dass es dabei nicht in erster Linie um eine fotographische Ähnlichkeit gehen würde. Die Auseinandersetzung mit dem Schicksal der Getöteten und mit den Zuständen in dem jeweiligen Land setzten eine sehr intensive Dynamik in Gang: zunächst ein fremdes Gesicht auf dem Foto, das ich im Internet recherchiert hatte – beim Abzeichnen floss das Wissen um das Schicksal in meine Wahrnehmung ein – ich kannte das Ende dieser Menschen, aber auf dem Foto schauen sie mich fröhlich, mutig oder nachdenklich an, ohne von ihrem Schicksal etwas zu ahnen. Bedrückende und dann auch liebevolle Gefühle, Trauer und Achtung vor dem Mut, dem Heldenhaften mischten sich während des Zeichnens zu einer außergewöhnlichen Annäherung, die das Bild auflud und intensiv machte. So etwas hatte ich vorher nicht erlebt. Es fühlte sich richtig an und das gab mir die Energie, weiter zu machen.“
„Vor dem Zeichnen eines Portraits waren mir der Journalist bzw. die Journalistin fremd. Während des Zeichnens baute ich immer stärker eine Verbindung zu dem Menschen auf, der auf dem mir vorliegendem Foto (meine Zeichenvorlage) abgebildet war.
Ich unterbrach meine Zeichnung und recherchierte nach weiteren Informationen. Dies gab mir ein immer stärker werdender Antrieb, meine Zeichnung weiter zu vervollständigen. Ich benötigte einige Zeit bis zur Fertigstellung, denn ich konnte erst von dem Portrait ablassen, bis ich das Gefühl hatte, dass dies nicht nur der Bildvorlage, sondern hauptsächlich der Persönlichkeit des jeweiligen Journalisten entsprach.
Zum Schluss hatte ich bei einigen Journalisten das Gefühl, dass wir einige Stunden miteinander kommunizierten und in dieser intensiven Zeit der Auseinandersetzung mit deren Schicksal diese Menschen kennengelernt zu haben.
In einem Fall war das Gefühl so stark, dass sich mir innere Bilder von dem ermordeten Journalisten vom „Jetzt“ auftaten: sitzend am Strand und auf das ewige Meer hinausschauend…! Ein Eindruck hinterlassend von innerem Glück und Frieden.“
Der Zeichner Gerd Wild hat die Aufgabe, an Chris Hodros zu erinnern, besonders gern übernommen, weil er selbst zwei Jahre in Libyen gearbeitet hat (Allerdings, bevor Gaddhafi an die Macht kam). Er wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sich dieses Land wieder zu jenem friedlichen, einladenden Land entwickelt, das er kennengelernt hatte (1965 – 67) und von dem schon die prächtigen Ruinenstädte aus römischer Zeit Zeugnis geben.
„Neulich habe ich mich bei dem Gedanken beobachtet, als ich in der U-Bahn saß und Hereinkommende betrachtete: “ Könnte diese Frau / dieser Mann ein Journalist sein, die/der bereit ist, ein Risiko auf sich zu nehmen wie die „Wahrheitskämpfer“? Könnte ich das am Gesicht ablesen? Woran würde ich das erkennen? An der Wachheit der Augen, an dem Wohlwollen im Blick, an der Spannung des Mundes oder der Entschlossenheit einer Gesichtsfalte? Oder sehe ich hier eine/n „Durchschnitts-Normalo-Bürger/in“, der/die zwar gerne informiert ist, aber dem/der nicht klar ist, daß manche Informationen Menschenleben kosten? Durch das Zeichnen der Portraits ermordeter Journalist/innen hat sich bei mir ein gewisses Gespür für Gesichtsausdruck gebildet – oder ich bilde es mir nur ein….“
„Meine Gedanken beim Malen: Sie wurden verfolgt, eingesperrt, gefoltert und getötet. Indem ich sie male, verneige ich mich vor ihrem Mut zur Wahrheit.“
„Nach den ersten Ideen habe auch ich mir die einschlägigen Webseiten von „Reporter ohne Grenzen“, CPJ und anderen Organisationen angesehen, um geeignete Bilder zu suchen und dazu etwas über das Schicksal einzelner verfolgter JournalistInnen herauszufinden. So ist mir erst klar geworden, in wie vielen Ländern der Welt die Pressefreiheit unterdrückt wird und engagierte Reporter mit dem Tode bedroht werden. Eine Erkenntnis, die mich erst mal deprimiert und empört hat – zugleich aber auch ein Ansporn, etwas dafür zu tun, dass diese mutigen Menschen nicht vergessen werden.
Für mich als Amateur ist das gezeichnete Porträt immer noch eine Herausforderung. Ich arbeite mit einem einfachen weichen Bleistift und versuche, die wesentlichen Gesichtszüge wiederzugeben. Zugleich wächst das Interesse an der dargestellten Person. Welche Erfahrungen, welche Gefühle stecken hinter diesen leuchtenden Augen oder dem sarkastisch wirkenden Lächeln? Und wird meine Zeichnung dem gerecht?“
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