Maulkorb für den Bürgerjournalismus
2. Februar 2021: Peking wertet vor der Vergabe von Presseausweisen Social Media aus – und schließt so eines der letzten Schlupflöcher der Pressefreiheit.
Als das Coronavirus vor etwas über einem Jahr in Wuhan wütete, ignorierten viele junge Chines:innen aus den Ostküstenmetropolen die propagandistischen Staatsmedien und informierten sich stattdessen über die Sozialen Medien.
Auf Plattformen wie Wechat und Weibo haben ein knappes Dutzend Bürgerjournalist:innen die chaotische Realität im einstigen Corona-Epizentrum mit ihrer Smartphone-Kamera dokumentiert. Ihre Videos konnten die Blogger:innen posten, ohne dass die Zensur ihnen zuvor kam.
Doch nun wird auch eine letzte Nische der chinesischen Pressefreiheit weiter verkleinert. Als Teil eines alljährlichen Überprüfungsprozesses werden seit diesem Jahr (2021) alle persönlichen Publikationen von Journalist:innen auf Sozialen Medien ausgewertet – ganz gleich, ob diese privat oder als Teil der beruflichen Funktion gepostet wurden. Erst dann entscheidet sich, ob die Presseausweise für einzelne Kolleg:innen verlängert oder entzogen werden. In der Ankündigung der Pekinger „Generalbehörde für Presse und Publizistik“ vom 19. Januar begründet man die Entscheidung im blumigen Duktus der Kommunistischen Partei damit, „das wichtige Gedankengut von Generalsekretär Xi Jinping zu Propaganda und ideologischer Arbeit gründlich umzusetzen.“
Die scheinbar kleine Änderung wird nachhaltige Konsequenzen mit sich bringen.
Denn in den vergangenen Jahren haben viele Redaktionen, die bestimmte heikle Recherchen nicht auf ihren Zeitungs- oder Webseiten publizieren durften, diese quasi unter dem Radar auf Sozialen Medien gepostet. Die roten Linien der Zensurbehörden sind fließend – und selbst für erfahrene Medienleute oft nicht zu erkennen.
Seit Jahren florieren zudem die sogenannten „Wir Medien“ in China, bei denen ganz normale Bürger:innen auf Online-Plattformen publizieren. So hat etwa die in Wuhan lebende Autorin „Fang Fang“ ihre in China millionenfach gelesenen Tagebücher über den Virusausbruch auf dem Twitter-ähnlichen Weibo veröffentlicht, während traditionelle Medien die kritischen Essays nicht aufgreifen durften.
Kritik wird rigoros verfolgt
Laut dem Pressefreiheit-Index der Organisation Reporter ohne Grenzen landet die Volksrepublik China auf dem 177. von insgesamt 180 Plätzen – kaum ein Land sperrt mehr Medienschaffende hinter Gitter. Die Staatsführung hat seit Xi Jinpings Amtsantritt die Zügel heftig angezogen. Grundsätzliche Kritik, die am Legitimitätsanspruch der Kommunistischen Partei kratzt, wird mit rigoroser Härte des Sicherheitsapparats verfolgt.
Neu ist auch, dass verstärkt gegen herkömmliche User:innen auf ausländischen Plattformen vorgegangen wird – etwa Twitter oder Facebook, die offiziell innerhalb der Volksrepublik verboten und nur über eine sogenannte VPN-Software zu erreichen sind. Innerhalb der vergangenen drei Jahre haben die Behörden mehr als 50 Bürger:innen zu Gefängnisstrafen wegen kritischer Posts auf Twitter und Co. verurteilt. Dabei ging es vornehmlich um Kritik an Themen, die die Kommunistische Partei als sensibel betrachtet: die Protestbewegung in Hongkong, den rechtlichen Status Taiwans oder die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang.
von Fabian Kretschmer (mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Rundschau, Artikel vom 2.Februar 2021)
Umerziehungslager in Xinjiang
Die Umerziehungslager in Xinjiang sind von der Volksrepublik China (VR China) organisierte, insbesondere auf die uigurische und andere in Xinjiang lebende muslimische Minderheiten ausgerichtete Internierungseinrichtungen in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang.
Das System bzw. Programm zur Assimilation wurde im Anschluss an entsprechende öffentliche Verkündungen durch den Generalsekretär und “Überragenden Führer” Xi Jinping auf Geheiß von Parteisekretär Chen Quanguo im Jahr 2014 begonnen. Offiziell halten die örtlichen Behörden verdächtige Uiguren und andere ethnische Minderheiten in diesen Einrichtungen fest, um religiöser Radikalisierung und Extremismus entgegenzuwirken. Die Umerziehung ist neben dem Arbeitskräfte-Transferprogramm (einem Programm, das Zwangsarbeit gleichkommt) eines der zwei staatliche Programme der Unterdrückung in Xinjiang.
Es wird geschätzt, dass die chinesischen Behörden ab dem Jahr 2018 Tausende bis Millionen von Uiguren, Kasachen, Kirgisen, Hui-Chinesen und Muslime anderer Ethnien sowie Christen,darunter auch einige ausländische Staatsbürger, festgenommen haben und diese in der gesamten Region teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen in zahlreichen Lagern willkürlich interniert sind. Laut ehemaligen Gefangenen sind die Teilnehmer in den Umerziehungslagern psychischem, teils auch körperlichem Missbrauch und Folter ausgesetzt.Es gab auch mehrere Berichte von Medien, Politikern und Forschern, in denen die Lager mit der Kulturrevolution unter Mao Zedong verglichen wurden, welche sich dieses Mal ausschließlich gegen ethnische und religiöse Minderheiten richtet.
Im November 2019 wurden im Rahmen der China Cables Regierungsdokumente veröffentlicht, die das systematische Ausmaß des Unterdrückungs- und Internierungssystems belegen. Den internen Dokumenten zufolge wurden und werden die meisten Insassen ohne Gerichtsverfahren zur Umerziehung in den Einrichtungen ca. ein Jahr festgehalten. Dort sollen sie ihrer Religion abschwören und stattdessen die Ideologie der Kommunistischen Partei Chinas übernehmen sowie eine berufliche Ausbildung erhalten.
Unterdessen versucht die Volksrepublik ein positives Bild von den Bildungseinrichtungen zu vermitteln und gewährte der BBC Zugang zu einer Einrichtung, über deren Besichtigung diese im Juni 2019 berichtete.
Der deutsche Anthropologe Adrian Zenz spricht von Zwangsassimilation oder einem „kulturellen Genozid“ und einer „systematische[n] Internierung einer ganzen ethno-religiösen Minderheit“. 2018 veröffentlichte Zenz einen Bericht, demzufolge eine Million Muslime in Umerziehungslagern interniert seien, und der im August selbigen Jahres von dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen zitiert wurde. Dabei würden Erwachsene und Kinder systematisch voneinander getrennt; letztere wüchsen somit getrennt von ihren Eltern in Internaten auf. Auch nach der Entlassung aus den Internierungslagern seien ehemalige Insassen weiter der Bespitzelung und elektronischen Überwachung durch die VR China ausgesetzt. Zenz selbst bezeichnete seine Schätzung als „skurrile Datenarbeit“ und „spekulativ“. Laut FAZ weckte er zu diesem Zeitpunkt aufgrund „unkonventioneller Forschungsmethoden“ kaum Interesse in der Fachwelt.
Ende Juni 2020 wurde erstmals über systematische Sterilisierungen und Schwangerschaftsabbrüche an Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten in den Lagern berichtet.
(Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Umerziehungslager_in_Xinjiang)
Arme reiche Provinz Inneren Mongolei
„Rohstoffvorkommen, u. a. Kohle, Erdgas und seltene Erden, machen aus der Provinz eine der reichsten Chinas. Die Wachstumsraten der Inneren Mongolei lagen in den letzten Jahren (Stand 2020) konstant im zweistelligen Bereich und gehörten zu den höchsten des Landes.
Das Wohlstandsniveau in der Provinz betrug 137 % des chinesischen Durchschnitts.
Proteste
Zwischen den Mongolen, die in ihrer Geschichte immer Nomaden und Viehzüchter waren, und den Chinesen gibt es immer wieder Spannungen. Partei und Regierung betonen immer, dass die Spannungen keinesfalls ethnische, sondern wirtschaftliche Gründe haben. Die Spannungen haben häufig ihre Ursache in Konflikten um die Landnutzung – der boomende und von Chinesen dominierte Abbau von Kohle, Erzen, Kupfer und seltenen Erden zerstört große Weideflächen, von denen die mongolischen Viehzüchter wirtschaftlich abhängen. Proteste von Seiten der Mongolen kommen deshalb immer wieder vor, die Unruhen in der Inneren Mongolei 2011 haben zuletzt am meisten Aufsehen erregt. Im April 2012 wurden in Naiman 22 mongolische Protestierende verhaftet, die gegen die illegale Aneignung von Weideland durch einen chinesisch geführten Forstwirtschaftsbetrieb demonstrierten. Im Frühling 2016 verschmutzte ein metallurgischer Betrieb in Zalantun Weideland, was zum Tod zahlreicher Schafe führte. Als die Viehhirten protestierten, gab es zahlreiche Festnahmen. Im Juni 2016 wurde in Xilin Gol gegen den Straßenbau auf Weideland protestiert. Im Juli 2016 protestierte man gegen die Enteignung von landwirtschaftlichen Flächen, im August gegen Zwangsräumungen in Xin Bulag (Xianghuang-Banner). Im Dezember 2016 protestierten die Einwohner in Ulanhot gegen die Anordnung, dass in den Kindergärten nicht mehr Mongolisch, sondern nur noch Chinesisch gesprochen werden darf. Im Juni 2017 kam es zu Zusammenstößen, als Einwanderer aus der Provinz Shaanxi auf gemeinschaftlichem Weidegrund im Rechten Bairin-Banner eine Rinderfarm errichten wollten.
Ethnozid
Die Kommunistische Partei hat sich das Ziel gesetzt, die Mongolen zum Aufgeben ihrer nomadischen Lebensweise und zum Übergang zu moderner Landwirtschaft zu bewegen. Unter dem Vorwand von Vermeidung von Überweidung und Bodenerosion wurden Hunderttausende Hirten zwangsumgesiedelt, vorwiegend in städtische Gebiete, wo sie als Hilfsarbeiter in chinesisch dominierten Unternehmen ein wenig zufrieden stellendes Leben führen. Sie verlieren zunehmend ihre Identität.
Die gesetzlich in den Autonomen Regionen vorgeschriebene Zweisprachigkeit wird im öffentlichen und geschäftlichen Leben faktisch nicht eingehalten. Mongolen und Mitglieder anderer Minderheiten, die die chinesische Sprache nicht ausreichend beherrschen, sind dadurch gravierend benachteiligt.
Im Sommer 2020 hat Chinas Staatsführung angeordnet, dass an den mongolisch-sprachige Schulen in der Inneren Mongolei Politik, Literatur, und Geschichte künftig nicht mehr auf Mongolisch unterrichtet werden dürfen, sondern nur auf Chinesisch. (Linguizid) Tausende Menschen waren gegen die neuen Vorgaben auf die Straße gegangen.
Separatismus
Es gibt bereits seit den 1950er Jahren separatistische mongolische Organisationen wie die „Südmongolische Demokratische Allianz“ oder die „Volkspartei der Inneren Mongolei“, die jedoch nie eine Wirkung entfalten konnten wie die Separatisten in Xinjiang oder Tibet. Die Führungspersönlichkeiten dieser Organisationen wurden wiederholt verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Aber auch mongolische Organisationen, die sich nicht politisch, sondern nur kulturell engagieren, stehen unter strenger Beobachtung von Behörden und Partei. Dazu kommt, dass das ethnische Bewusstsein der Mongolen sowohl in der Mongolei als auch in der Inneren Mongolei schwach ausgeprägt ist und dass die Innere Mongolei wirtschaftlich stärker ist als die Republik Mongolei, wenngleich die Han-Chinesen von der wirtschaftlichen Entwicklung stärker profitieren. Die Demonstrationen, die in den 1990ern wiederholt das Recht einforderten, der Mongolei beitreten zu dürfen, wurden von der Mongolei nicht gefördert.
Quelle: Wikipedia
Das Problem der Überweidung
„ 27 Millionen Kaschmirziegen werden heute auf den Weideflächen der Mongolei gehalten, sechsmal so viele wie früher – 1990 waren es noch 4,5 Millionen. Der Großteil des weltweit, auch in Deutschland gehandelten Kaschmirs kommt aus der Mongolei, auch aus China. Da die Ziegen das Gras mitsamt der Wurzel fräßen, wachse dort nun nicht mehr viel, erklärt Textilexpertin Schempp. Laut UN seien bereits bis zu 70 Prozent der Weidegründe in der Mongolei massiv überweidet. Schempp: „Flächen sind abgegrast, verwüsten, Sandstürme entstehen.“ schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Literatur / Film : Jiang Rong: Der Zorn der Wölfe. Roman, dt. 2010.Verfilmt von Jean-Jaques Annaud.
(Stand Jan 2020)
Quellen: Reported by He Ping for RFA’s Mandarin Service ( Radio Free Asia), wikipedia.org/wiki/Kulturrevolution, wikipedia.org/wiki/Säuberung_der_Inneren_Mongolei, wikipedia.org/wiki/Innere_Mongolei, Wirtschaft, SMHRIC, fr.de/wirtschaft/geschundene-tiere-karges-land-90144212.html
Zusammengestellt von Susanne Köhler
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