Pressefreiheit auf den Philippinen
Journalist zu sein schütze nicht vor Ermordung, wenn man ein „Hurensohn“ sei. Drohungen wie diese sprach Rodrigo Duterte, seit 2016 Präsident der Philippinen, mehrmals öffentlich aus. Das Land zählt zu den tödlichsten für kritische Journalist*innen. Seit 1986, dem Ende der Diktatur unter Ferdinand Marcos, wurden 191 Reporter*innen ermordet. 21 von ihnen fallen in die Regierungszeit Dutertes. Zur Aufklärung kommt es in den wenigsten Fällen.
Eine Ausnahme bildet da die Verurteilung des politischen Familienclans Ampatuan wegen Massenmordes. Dieser größte Fall von Journalist*innen-Morden auf den Philippinen ereignete sich im Jahr 2009 unter der Präsidentschaft Gloria Macapagal Arroyos. In Maguindanao auf der Insel Mindanao gerieten Journalist*innen zwischen die Fronten eines Clankonflikts, der im Vorfeld der damaligen Gouverneurswahl ein blutiges Ende fand. Anhänger*innen des politischen Gegenkandidaten Mangudadatu wurden in einen Hinterhalt gelockt und insgesamt 58 Personen ermordet, darunter 32 Journalist*innen.
Angriffe gegen die Presse gab es schon vor Dutertes Amtszeit. Alle bisherigen Präsident*innen haben ihre Abneigung und eine geringe Toleranzgrenze gegenüber kritischer Berichterstattung gezeigt. Doch keine andere Regierung habe die Presse so direkt und öffentlich bedroht, sie aller Arten von Gesetzesübertretungen beschuldigt und sie mit allen möglichen Vorwürfen vors Gericht gebracht, wie es derzeit geschehe, sagen philippinische Menschenrechtsverteidiger*innen.
Auf dem Index der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ belegten die Philippinen im Jahr 2020 Platz 136 von 180. Im Vergleich zu 2019 sind sie damit zwei Plätze nach hinten gerutscht.
Laut der philippinischen Organisation Center for Media Freedom and Responsibility würden vieleMedien schweigen, um nicht den Zorn der Behörden auf sich zu ziehen. Denn das Klima der Straffreiheit schaffe Angst. Die Presse- und Meinungsfreiheit wird auf unterschiedliche Weise eingeschränkt:
Zum Einen unter dem Missbrauch von Gesetzen, die vor allem im Zuge der Covid-19-Pandemie in Kraft traten. Beispielsweise steht die Verbreitung von „Falschmeldungen“ über die Pandemie unter Strafe, was bereits zu Verhaftungen von Journalist*innen geführt hat. Was als Falschmeldung gilt und was nicht entscheiden die Behörden. Meist traf es kritische Medienberichte.
Gerichtlich wurde auch gegen das kritische Nachrichtenportal Rappler vorgegangen. International Aufsehen erregte dabei die Verurteilung der Chefredakteurin Maria Ressa wegen vermeintlicher Verleumdung. Ebenfalls in die Zeit der Coronakrise fiel die Abschaltung des größten Fernsehsenders der Philippinen, ABS-CBN. Offiziell wurde seine Lizenz nicht mehr verlängert. Andererseits hatte Duterte nie ein Geheimnis aus seiner Abneigung gegenüber dem Sender gemacht.
Abgesehen davon stehen kritische Journalist*innen immer wieder unter dem Vorwurf mit der kommunistischen Untergrundbewegung auf den Philippinen zu sympathisieren. Selbst wenn in konkreten Fällen Beweise fehlen, reicht das sogenannte „red-tagging“, um Journalist*innen zur Verhaftung freizugeben. In einigen Fällen führte es zur Ermordung. Besonders gefährdet sind dabei Lokaljournalist*innen, wie die Porträts der „Wahrheitskämpfer“ zeigen. Laut Nonoy Espina, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft National Union of Journalists of the Philippines (NUJP), sind Lokaljournalist*innen doppelt belastet: durch die konkrete Gefahr für ihr Leben und zugleich gehören sie zu jener Gruppe von Reporter*innen, die am schlechtesten bezahlt ist.
Trotz der vielen Menschenrechtsverletzungen, die vonseiten des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung einbrachten, genießt Rodrigo Duterte in der philippinischen Bevölkerung eine breite Zustimmung. Im Juni 2016 wählten ihn16,6 Millionen Wahlberechtigte, 39 Prozent, in sein Amt. Es gibt einige Erklärungsversuche für diesen Zuspruch. Zum Einen sind die Philippinen von starker sozialer Ungleichheit geprägt. Der Besitz von Land und Ressourcen konzentriert sich in den Händen weniger Eliten, die nicht nur wirtschaftlich einflussreich sind, sondern oft auch politische Ämter innehaben. Formell sind die Philippinen seit dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos im Jahr 1986 eine präsidentielle Demokratie. Große soziale Reformen, wie sie damals versprochen wurden, gab es allerdings nie. Zu sehr würden sie den Interessen der Herrschenden zuwiderlaufen. Politikwissenschafter*innen sprechen daher in Bezug auf die Philippinen von einer Elitendemokratie. So wirkte Duterte in einem Land, in dem man kein Vertrauen in das bürgerliche, korrupte politische Establishment hat, für viele als Hoffnungsträger. So schenkten die Bürger*innen jenem Mann ihr Vertrauen, der so sprach „wie sie“. Jemandem, der politische Härte symbolisiert und seine Macht nun mittels einer populistischen Politik aufrecht hält. Die linke Opposition kann dazu auf politischer Ebene derzeit wenig entgegensetzen. Im Gegenteil: Nach den Senatswahlen im Jahr 2018 mussten sie sogar einige Sitze an die Duterte-nahen Parteien abgeben. Anders als in Europa kann die Linke auf den Philippinen nicht auf die Tradition einer breiten Arbeiter*innenpartei zurückblicken. Linke Opposition spielt sich eher auf zivilgesellschaftlicher Ebene ab, wo sie trotz Repressionen weiterhin aktiv Widerstand leistet. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden übrigens im Jahr 2022 statt. Eine Wiederwahl Dutertes ist laut Verfassung untersagt. Doch am Aufbau von Kandidat*innen aus seinem Umfeld wird bereits gearbeitet.
Text: Marina Wetzlmaier 2021
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