Lhamjab A. Borjigin, * 1945 China, seit 2018 in China unter Hausarrest

Lhamjab A. Borjigin, * 1945 China, seit 2018 in China unter Hausarrest

Lhamjab stammt aus Heshigten Banner, einer Art Provinz in der nördlichen Inneren Mongolei, einem Teil der „Volksrepublik China“. Borjigin ist Mitglied der staatlich unterstützten „Shiliingol League Literary Association“. Seine herausragende Stimme der ethnischen mongolischen Kultur in China ist nun vorübergehend zum Schweigen gebracht worden. Herr Borjigin dokumentierte die bisher nur mündlich überlieferte Geschichte der Region. Er sammelte 20 Jahre lang Zeugnisse von Überlebenden der politischen Gewalt und des sozialen Chaos während der Kulturrevolution und veröffentlichte 2006 dann sein Buch „Die Chinas Kulturrevolution“. Darin beschuldigt er die regierende Kommunistische Partei Chinas des staatlich geförderten Völkermordes in der Region. Detailliert beschreibt er Foltermethoden und Verhaftungen in dieser brutalen Kampagne in der Inneren Mongolei, in dessen Verlauf mindestens 27.900 Menschen getötet wurden. Während der „Säuberung der Inneren Mongolei“ 1967 – 1969 seien darüber hinaus damals 346.000 Menschen inhaftiert und gefoltert worden. (Während der gesamten „Kulturrevolution“ (1966 – 1976) sollen unterschiedlicher Quellen zufolge in ganz China zwischen Hunderttausend und 20 Millionen Menschen ermordet worden sein)

Lhamjab veröffentlichte das Buch inoffiziell und auf eigene Kosten, nachdem sich staatliche chinesische Verlage weigerten, es zu veröffentlichen.

Am 4. April 2020 verurteilten die chinesischen Behörden den 75-Jährigen in einem geheimen Prozess zu einer einjährigen Gefängnisstrafe mit zwei Jahren Bewährungzeit. Sie warfen ihm „Separatismus“ und „Sabotage der nationalen Einheit“ vor, berichtet das „Südmongolische Informationszentrum für Menschenrechte“, das in New York ansässig ist. (SMHRIC)

Die Strafverfolgung beruhte auf dem Vorwurf, Lhamjab habe 2000 Exemplare seines Buches „Chinas Kulturrevolution“ illegal verlegt, verkauft und damit Gewinn erzielt. Zusätzlich zu einer bestimmten Anzahl von Druckexemplaren, die er freiwillig abgegeben hat, wurden 836 Exemplare beschlagnahmt. Der Verbleib der restlichen Auflage ist unklar. 

Das Buch habe „nationalen Separatismus“ zum Inhalt.

Seit dem 11. Juli 2018 lebt Lhamjab Borjigin in einem streng bewachten Hausarrest, nachdem eine gekürzte Hörbuchversion unter ethnischen Mongolen auf chinesischen Social-Media-Plattformen, insbesondere WeChat, im vergangenen Jahr online ging.

Seine persönlichen Freiheit und seine Kommunikation sind seitdem eingeschränkt.

Ihm ist verboten, „Versammlungen, Proteste, Demonstrationen oder Zusammenkünfte zu organisieren oder daran teilzunehmen“, Druckerzeugnisse oder Multimedia- Produkte zu veröffentlichen oder zu verbreiten, Interviews zu geben und öffentlich im In- und Ausland zu sprechen.

Trotzdem findet er einen Weg in die Öffentlichkeit:

„Ich stehe unter Hausarrest, und alle meine Kontakte wurden mir weggenommen“, sagte Lhamjab in einem Audio-Statement, das von einem Freund veröffentlicht wurde. „Ich darf nirgendwo hingehen und muss täglich persönlich zum „Büro für öffentliche Sicherheit“ kommen, um meinen Status zu melden. Wöchentlich muss ich eine schriftliche Erklärung abgeben, um meinen Status zu beschreiben“, sagte er. „Wie der Affenkönig in der klassischen chinesischen Geschichte, dem ein Stirnband gegeben wurde, um ihn unter Kontrolle zu halten, wird mir ein kommunistisches Stirnband zur Kontrolle meiner Gedanken  gegeben. Das Recht, mich zu bewegen und das Recht zu denken wird mir von den chinesischen Behörden genommen“, sagte Lhamjab.

Ethnische Mongolen im Exil haben auch wiederholt die chinesischen Behörden aufgefordert, die Menschenrechtsverletzungen und die systematische und institutionalisierte Diskriminierung ethnischer Mongolen innerhalb der Grenzen Chinas zu beenden. Sie prangern darüberhinaus die langjährige Politik. der chinesischen Führung, die darauf abzielt, ihre traditionelle, nomadische Lebensweise zu beenden. SMHRIC fordert den sofortigen Rückzug aller „Rohstoffindustrien, Tourismusunternehmen und Kraftwerke, die nicht nur große Teile des mongolischen Weidelandes besetzen und sich aneignen, sondern auch das Ökosystem zerstören, das Grundwasser erschöpfen und Luft und Wasser verschmutzen.“Sie wendet sich auch gegen die „massive Propagandakampagne der chinesischen Behörden, um ihre Zerstörung der nomadischen Zivilisation und … der natürlichen Umwelt zu rechtfertigen. „Die Politik der chinesischen Regierung, so die Gruppe, „basiert auf einer tief sitzenden Diskriminierung, die das mongolische Hirtenwesen als eine ‚rückständige, archaische, unwissenschaftliche und unzivilisierte‘ Lebensweise charakterisiert und die chinesische Lebensweise als ‚fortschrittlich, zivilisiert und wissenschaftlich‘ anpreist.“

Situation in der Inneren Mongolei: 

„Rohstoffvorkommen, u. a. Kohle, Erdgas und seltene Erden, machen aus der Provinz eine der reichsten Chinas. Die Wachstumsraten der Inneren Mongolei lagen in den letzten Jahren (Stand 2020) konstant im zweistelligen Bereich und gehörten zu den höchsten des Landes.

Das Wohlstandsniveau in der Provinz betrug 137 % des chinesischen Durchschnitts.

Zwischen den Mongolen, die in ihrer Geschichte immer Nomaden und Viehzüchter waren, und den Chinesen gibt es immer wieder Spannungen. Partei und Regierung betonen immer, dass die Spannungen keinesfalls ethnische, sondern wirtschaftliche Gründe haben. Die Spannungen haben häufig ihre Ursache in Konflikten um die Landnutzung – der boomende und von Chinesen dominierte Abbau von Kohle, Erzen, Kupfer und seltenen Erden zerstört große Weideflächen, von denen die mongolischen Viehzüchter wirtschaftlich abhängen. Proteste von Seiten der Mongolen kommen deshalb immer wieder vor, die Unruhen in der Inneren Mongolei 2011 haben zuletzt am meisten Aufsehen erregt. Im April 2012 wurden in Naiman 22 mongolische Protestierende verhaftet, die gegen die illegale Aneignung von Weideland durch einen chinesisch geführten Forstwirtschaftsbetrieb demonstrierten. Im Frühling 2016 verschmutzte ein metallurgischer Betrieb in Zalantun Weideland, was zum Tod zahlreicher Schafe führte. Als die Viehhirten protestierten, gab es zahlreiche Festnahmen. Im Juni 2016 wurde in Xilin Gol gegen den Straßenbau auf Weideland protestiert. Im Juli 2016 protestierte man gegen die Enteignung von landwirtschaftlichen Flächen, im August gegen Zwangsräumungen in Xin Bulag (Xianghuang-Banner). Im Dezember 2016 protestierten die Einwohner in Ulanhot gegen die Anordnung, dass in den Kindergärten nicht mehr Mongolisch, sondern nur noch Chinesisch gesprochen werden darf. Im Juni 2017 kam es zu Zusammenstößen, als Einwanderer aus der Provinz Shaanxi auf gemeinschaftlichem Weidegrund im Rechten Bairin-Banner eine Rinderfarm errichten wollten. 

Die Kommunistische Partei hat sich das Ziel gesetzt, die Mongolen zum Aufgeben ihrer nomadischen Lebensweise und zum Übergang zu moderner Landwirtschaft zu bewegen. Unter dem Vorwand von Vermeidung von Überweidung und Bodenerosion wurden Hunderttausende Hirten zwangsumgesiedelt, vorwiegend in städtische Gebiete, wo sie als Hilfsarbeiter in chinesisch dominierten Unternehmen ein wenig zufrieden stellendes Leben führen. Sie verlieren zunehmend ihre Identität.

Die gesetzlich in den Autonomen Regionen vorgeschriebene Zweisprachigkeit wird im öffentlichen und geschäftlichen Leben faktisch nicht eingehalten. Mongolen und Mitglieder anderer Minderheiten, die die chinesische Sprache nicht ausreichend beherrschen, sind dadurch gravierend benachteiligt.

Es gibt bereits seit den 1950er Jahren separatistische mongolische Organisationen wie die „Südmongolische Demokratische Allianz“ oder die „Volkspartei der Inneren Mongolei“, die jedoch nie eine Wirkung entfalten konnten wie die Separatisten in Xinjiang oder Tibet. Die Führungspersönlichkeiten dieser Organisationen wie Hada oder Govruud Huuchinhuu wurden wiederholt verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Aber auch mongolische Organisationen, die sich nicht politisch, sondern nur kulturell engagieren, stehen unter strenger Beobachtung von Behörden und Partei. Dazu kommt, dass das ethnische Bewusstsein der Mongolen sowohl in der Mongolei als auch in der Inneren Mongolei schwach ausgeprägt ist und dass die Innere Mongolei wirtschaftlich stärker ist als die Republik Mongolei, wenngleich die Han-Chinesen von der wirtschaftlichen Entwicklung stärker profitieren. Die Demonstrationen, die in den 1990ern wiederholt das Recht einforderten, der Mongolei beitreten zu dürfen, wurden von der Mongolei nicht gefördert.

Im Sommer 2020 hat Chinas Staatsführung angeordnet, dass an den mongolisch-sprachige Schulen in der Inneren Mongolei Politik, Literatur, und Geschichte künftig nicht mehr auf Mongolisch unterrichtet werden dürfen, sondern nur auf Chinesisch. Tausende Menschen waren gegen die neuen Vorgaben auf die Straße gegangen.“ (Wikipedia) 

Das Problem der Überweidung: „ 27 Millionen Kaschmirziegen werden heute auf den Weideflächen der Mongolei gehalten, sechsmal so viele wie früher – 1990 waren es noch 4,5 Millionen. Der Großteil des weltweit, auch in Deutschland gehandelten Kaschmirs kommt aus der Mongolei, auch aus China. Da die Ziegen das Gras mitsamt der Wurzel fräßen, wachse dort nun nicht mehr viel, erklärt Textilexpertin Schempp. Laut UN seien bereits bis zu 70 Prozent der Weidegründe in der Mongolei massiv überweidet. Schempp: „Flächen sind abgegrast, verwüsten, Sandstürme entstehen.“ schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU

Quelle: Reported by He Ping for RFA’s Mandarin Service ( Radio Free Asia), wikipedia.org/wiki/Kulturrevolution, wikipedia.org/wiki/Säuberung_der_Inneren_Mongolei, wikipedia.org/wiki/Innere_Mongolei, Wirtschaft, SMHRIC, fr.de/wirtschaft/geschundene-tiere-karges-land-90144212.html