Patrick Lam Shiu-tung 林绍桐, * Großbritannien / Hongkong, 2021- 2022 für 11 Monate in Haft in VR China / Hongkong
Der Hongkonger Journalist Patrick Lam hatte schon früh über die Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten in seiner Stadt berichtet. Später arbeitete er als stellvertretender Chefredakteur für das Online-Medium STAND NEWS, das sich klar auf Seiten der Demokratiebewegung positionierte.
Patrick Lam und sein Chefredakteur Chung Pui-kuen wurden am 19. Dezember 2021 festgenommen, nachdem Polizisten der Staatssicherheit die Redaktionsräume gestürmt hatten. STAND NEWS sah sich danach gezwungen, zu schließen – so wie andere Medien in der Sonderverwaltungsregion Hongkong auch. Ähnlich ging es zum Beispiel APPLE DAILY, CITIZEN NEWS und weiteren Nachrichtenseiten. Sie schlossen aus Vorsicht, nicht gegen Gesetze verstoßen zu wollen, oder aufgrund konkreter Vorwürfe.
Knapp ein Jahr saßen die beiden Redakteure im Gefängnis und kamen zu Prozessbeginn am 7. November 2022 auf Kaution frei.
Im August 2024 wurden Lam und sein Chefredakteur vom Hongkonger Bezirksrichter Kwok Wai-Kin verurteilt. Das entsprechende Gesetz „Verschwörung zur Veröffentlichung und Vervielfältigung aufrührerischer Publikationen“ stammte aus der Kolonialzeit. Der Richter befand sie für schuldig, die Behörden der Zentralregierung in Peking und die Hongkonger Regierung „verleumdet und diffamiert“ zu haben.
Sein Urteil begründete der Richter u.a. damit, dass die Meinungsfreiheit „gegen die Verhinderung potenzieller Schäden durch aufrührerische Veröffentlichungen abgewogen werden müsse“.
Es war der erste Prozess gegen Medienvertreter seit der Rückgabe Hongkongs an China im Jahr 1997.
Im September 2024 wurde Lam zu zehn Monaten Haft verurteilt.
Der ehemalige Gouverneur von Hongkong, Chris Patten, bezeichnete die Urteile als „schwarzen Tag für die Pressefreiheit“ in Hongkong. Kritik gegen das Urteil kommt auch von Nicht-Regierungsorgansiationen. Cédric Alviani, Direktor des Asien-Pazifik-Büros von „Reporter ohne Grenzen“, mahnte, das Urteil schaffe einen „sehr gefährlichen Präzedenzfall“ für Journalist:innen. Wer über Fakten berichtet, die nicht mit der offiziellen Erzählung der Behörden übereinstimmen, könne nun verurteilt werden.
Vorgeschichte: Der umstrittene Richter Kwok
Richter Kwok Wai-Kin hat eine Reihe prominenter Fälle im Zusammenhang mit Protesten verhandelt, darunter einen Fall gegen neun Angeklagte, die wegen Ausschreitungen während der Unruhen in Mong Kok 2016 angeklagt waren. Dabei verurteilte er den 19-jährigen Mo Jia-tao zu mehr als vier Jahren Haft – die härteste der zehn verhängten Strafen. Kwok wies Vorwürfe politischer Motive zurück.
„Das Gericht wird sich zweifellos nicht an dieser politischen Debatte beteiligen“, betonte Kwok wiederholt. Er interpretierte, dass die bloße Anwesenheit jedes einzelnen Demonstrierenden den anderen vor Ort „Trost, Unterstützung und Ermutigung“ gegeben habe und jeder Protestierende daher eine „kollektive Verantwortung“ tragen würde.
In einer Anhörung im April 2020 drückte Kwok sein Mitgefühl für den Reiseleiter Tony Hung aus, der während der Anti-Auslieferungsproteste im August 2019 in einem Fußgängertunnel drei Menschen niedergestochen hatte. Kwok behauptete wahrheitswidrig, der Angeklagte sei selbst „ein unfreiwilliges Opfer und ein blutbeflecktes Opfer, das mit letzter Kraft um sein Leben kämpft“, da die Demonstranten „sein Recht auf Arbeit, Leben und Überleben rücksichtslos mit Füßen getreten“ hätten. Kwok verurteilte auch die Demonstrierenden dafür, dass sie sich „wie eine Armee“ verhalten hätten, indem sie Menschen zusammengeschlagen und Straßen blockiert hätten. Er sagte, dass Demonstranten, die bei der Verfolgung ihrer Ziele normale Menschen verletzten, sich nicht von Terroristen unterschieden, und verglich ihr extremistisches Verhalten mit den Exzessen der Kulturrevolution.
Prominente Anwälte äußerten Bedenken hinsichtlich Kwoks politischer Äußerungen und stellten die milde Strafe für den Messerstecher als voreingenommen in Frage.
Der Oberste Richter Geoffrey Ma zog Richter Kwok kurz danach von Fälle mit ähnlichem politischem Hintergrund ab. Doch im Juli 2021 wurde er wieder eingesetzt:
Am 22. Oktober 2022 verurteilte Kwok drei Aktivisten der Gruppe „Student Politicism“ und erklärte, dass die von ihnen errichteten Stände ‚beliebt‘ gewesen seien und eine „bewusste Herausforderung“ des nationalen Sicherheitsgesetzes dargestellt hätten.
Am 1. November 2022 erklärte Kwok, dass eine Frist, wonach Anklage innerhalb von sechs Monaten nach einer Straftat erhoben werden muss, in einem Verfahren gegen zwei leitende Redakteure von STAND NEWS nicht anwendbar sei.
Im Mai 2023 schlug die Kongress-Exekutivkommission für China (CECC) des US-Kongresses der US-Regierung vor, Sanktionen gegen Richter Kwok zu verhängen. Begründet wurde dies, um der Aushöhlung der demokratischen Freiheiten in Hongkong aufgrund Kwoks Behandlung eines Falles im Zusammenhang mit dem nationalen Sicherheitsgesetz entgegenzuwirken.
Im August 2024 verurteilte Kwok dann die zwei Hongkonger Journalisten Chung Pui-Kuen und Patrick Lam wie oben beschrieben. Deren Online-Medium STAND NEWS existierte da bereits schon lange nicht mehr. Die Verjährungsfristen wegen angeblicher „Volksverhetzung“ hatte er ja bereits zwei Jahre zuvor aufgehoben.
Quellen: Wikipedia, New York Times, Tagesschau.de
Text: Susanne Köhler, Mai 2025
Künstlerin: Susanne Köhler
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