Pjotr Jurjewitsch Wersilow, * 1987 Sowjetunion, 2018 Giftanschlag, 2023 in Abwesenheit verurteilt
Der in Moskau geborene Wersilow lebte als Kind in Kanada. Er kehrte nach Russland zurück, um seine Schulausbildung abzuschließen und studierte anschließend Philosophie an der Moskauer Staatsuniversität.
Pjotr Wersilow lernte Nadezhda Tolokonnikova an der Universität kennen und heiratete sie. Beide wurden bekannt für ihre Kunstperformances, die sich gegen die russische Regierung richteten. Dazu gehörte, daß er sich z. B. bei öffentlichen sexuellen Handlungen mit seiner hochschwangeren Frau filmen liess – in einem Moskauer biologischen Museum im Jahr 2008. Damit protestierte das Paar gegen den Aufruf des Präsidenten zu mehr Fortpflanzung.
2010 platzte Wersilow am Ende eines Gerichtsprozesses in Moskau gegen zwei Kuratoren einer Kunstgalerie angeblich in das Gebäude und ließ einen Sack voller lebender Kakerlaken frei .
Wersilows inzwischen Ex-Frau Nadezhda Tolokonnikova ist Mitglied der russischen feministischen Punkrock- Gruppe „Pussy Riot“. Diese veranstaltete 2012 eine Protestkundgebung in der Moskauer Kathedrale. Nachdem Tolokonnikova und zwei weitere Mitglieder wegen „Rowdytums“ deswegen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden waren, wurde Werzilov zeitweise Sprecher der Gruppe.
Im September 2012 nahm Pjotr Wersilov im Namen von „Pussy Riot“ bei einer Zeremonie in New York den „LennonOno-Friedenspreis“ von Yoko Ono entgegen.
Wenig später kam es zu Konflikten zwischen Mitgliedern von „Pussy Riot“ und Wersilow, woraufhin er seine Sprecherrolle verlor. Er nahm im Dezember 2013 an den Euromaidan- Protesten in Kiew teil.
Er ist außerdem einer der Gründer der Nachrichtenwebsite MEDIAZONA, die seit 2014 kritisch über das russische Rechtssystem und die dessen Praxis der Strafverfolgung berichtet.
Mitte Juli 2018 wurde er zusammen mit drei Aktivistinnen zu 15 Tagen Gefängnis verurteilt, nachdem sie während des WM-Finales in Moskau in gefälschten Polizeiuniformen das Spielfeld betreten hatten.
Im gleichen Monat sollte er laut der russischen Zeitung NOVAY GAZETA einen Bericht zu den Ermittlungen zur Tötung von drei russischen Journalisten in der Zentralafrikanischen Republik erhalten.
Im September 2018 wurde Pjotr Wersilow in die toxikologische Abteilung des Bachruschin-Krankenhauses in Moskau eingeliefert. Medien berichteten, er sei in einem kritischen Zustand. Die Ärzte vermuteten eine Überdosis oder Vergiftung mit Anticholinergika, die zur Behandlung verschiedener Krankheiten eingesetzt würden. Seine Angehörigen vermuteten eine Vergiftung als Ursache und sagten, er nehme solche Medikamente nicht.
Der Krankenhausaufenthalt erfolgte unmittelbar nachdem er eine Gerichtsverhandlung gegen ein „Pussy-Riot“-Mitglied besucht und dem Fernsehsender AL JAZEERA ein kritisches Interview über das russische Rechtssystem gegeben hatte. Er wurde zur weiteren medizinischen Behandlung in die Charité nach Berlin geflogen, wo er sich allmählich erholte. Die behandelnden Ärzte erklärten, es sei „sehr wahrscheinlich“, dass Wersilow vergiftet worden sei. Die Ursache werde untersucht, er werde sich aber vollständig erholen. In einer Stellungnahme sagte die Gruppe „Pussy Riot“, Wersilow sei noch immer sehr verwirrt und sie bezichtigte die russische Regierung, ihn vergiftet zu haben. Sie wies auch darauf hin, dass das Gift so konzipiert sei, dass es den Körper des Opfers schnell verlasse, so dass es schwierig sei, die genauen Umstände zu beweisen.
Trotz des Giftanschlags kehrte Pjotr Wersilow nach Russland zurück, wo er im Juni 2020 aus seiner Wohnung geholt und von der Anti-Extremismus-Polizei festgehalten wurde. Später verließ er Russland nach einer Reihe von Durchsuchungen, die sich gegen ihn und seine Angehörigen richteten.
Im Jahr 2021 wurde er von der russischen Regierung ohne Angabe von Gründen zum ausländischen Agenten erklärt.
Im April 2022 begleitete Pjotr Wersilow die Frauen der Kämpfer des Asow-Regiments nach Rom. Diese Kämpfer hatten sich im ukrainischen Stahlwerk „Asowstal“ in Mariupol verbarrikadiert, als Russland die Stadt eingenommen hatten. Die Frauengruppe setzte sich dafür ein, die Kämpfer aus der Belagerung zu retten. Tage später trafen sie auch Papst Franziskus in der Vatikanstadt.
Im Dezember 2022 wurden Wersilow und andere Mitglieder von „Pussy Riot“ bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar festgenommen, weil sie versucht hatten, das Spielfeld zu stürmen. Damit protestierten sie gegen die russische Invasion in der Ukraine und die Inhaftierung von Alexei Nawalny. Auch machten sie auf die Missachtung von Frauenrechten im Iran aufmerksam.
Im Jahr 2023 wurde in Russland ein Haftbefehl gegen Wersilow erlassen, weil er in seinen sozialen Medien Informationen und Fotos über das russische Massaker von Bucha/Ukraine veröffentlicht hatte. Darin hatte er u. a. Videos von toten Zivilisten in Leichensäcken in Butscha geteilt und russische Soldaten mit Adolf Hitler und Joseph Stalin verglichen.
Ein Gericht klagte ihn wegen des Vorwurf der „Falschinformation“ an und verurteilte Pjotr Wersilow in Abwesenheit zu achteinhalb Jahren Haft.
Anfang Oktober teilte Pjotr Wersilow mit, dass er sich dem ukrainischen Verteidigungskampf gegen die russische Invasion angeschlossen habe. Deswegen hatte er auch seinen Posten als Herausgeber seines Nachrichtenportals MEDIAZONA aufgegeben.
„Ein Gericht in Moskau verurteilte ihn im November 2023 wegen „Falschinformation“ in Abwesenheit zu achteinhalb Jahren Haft. Nach einer Berufungsverhandlung wurde das Urteil im April 2024 abgeändert zu acht Jahren und vier Monaten. Inzwischen hatte Wersilow mitgeteilt, dass er sich dem ukrainischen Verteidigungskampf gegen die russische Invasion angeschlossen habe. Deswegen hatte er auch seinen Posten als Herausgeber des von ihm gegründeten Nachrichtenportals MEDIAZONA aufgegeben. Am 24.12.2024 wurde Wersilow von den russischen Behörden auf die „Liste der Terroristen und Extremisten“ gesetzt.“
Quellen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Pyotr_Verzilov
https://www.deutschlandfunkkultur.de/pussy-riot-mitbegruender-zu-langer-haft-verurteilt-102.html
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/russisches-gericht-verurteilt-oppositionellen-aktivisten-zu-acht-jahren-haft-19289013.html
Petr Verzilov sentenced to 8.5 years of prison in absentia for “fake news” on the Russian army
Künstler: Thomas Ormond
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