Ruslan Petrowytsch Kozaba, *1966 Ukraine, seit 2015 verfolgt

Ruslan Petrowytsch Kozaba, *1966 Ukraine, seit 2015 wegen Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung verfolgt

In der Studentenzeit beteiligte sich Ruslan Kozaba 1990 an den Studentenprotesten gegen die kommunistischen Machthaber. Nachdem er eine Verwaltungsakademie absolvierte, leitete er in seiner Geburtsstadt Iwano-Frankiwsk die Fischerei- und die Migrationsaufsicht. Während der Orangen Revolution 2004 anlässlich von  Wahlfälschungen war er organisatorisch für die Protestbewegung tätig. Bis 2014 arbeitete er als freiberuflicher Korrespondent für den Fernsehsender 112 UKRAINE. 2019 moderierte er eine eigene Sendung beim TV-Sender NEWS ONE. Beide Sender wurden aufgrund ihrer kritischen Haltung von ukrainischen Nationalisten mehrfach als angeblich ukrainefeindlich kritisiert. Das Parlament in Kiew versuchte zunächst erfolglos, Sanktionen gegen diese Sender zu erheben.

Während des Krieges in der Ostukraine 2014 wurde Kozaba, der den Donbass besuchte, durch seine Aufrufe für eine friedliche politische Lösung des Konflikts und gegen einen Militäreinsatz der ukrainischen Regierung bekannt. So publizierte er auf YouTube ein Video, in dem er seinen Unwillen äußerte, zur Armee zu gehen, und zu einem allgemeinen Boykott der Mobilisierung aufrief, die gesetzwidrig sei, da kein Kriegszustand verhängt worden sei. Auch sagte er, dass er lieber zwei bis fünf Jahre im Gefängnis verbringen würde, als „einen bewussten Mord an meinen Landsleuten im Osten“ zu begehen. Der Krieg in der Ostukraine ist seinen Worten nach ein Bürgerkrieg mit nur geringer Beteiligung russischer Staatsbürger.

Der Aufruf von Kozaba weckte die Aufmerksamkeit der russischen Medien, woraufhin Kozaba auf Einladung des Senders ROSSIJA einmal in Moskau an der Polittalk-Sendung „Spezialny Korrespondent“ teilnahm, wobei er seine Ansichten noch einmal wiederholte.

Nach diesem Auftritt wurde gegen Kozaba auf Initiative des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU von der Staatsanwaltschaft Iwano-Frankiwsk ein Strafverfahren wegen Hochverrats und Mobilisierungsbehinderung eröffnet.

Im Februar 2015 wurde Kozaba verhaftet und dem Richter vorgeführt. Beim Prozess lehnte Kozaba es ab, seinen „Hochverrat“ anzuerkennen und wiederholte seinen Aufruf an die Ukrainer, nicht in die Armee zu gehen. Seinen Prozess verglich er mit stalinistischen Schauprozessen und nannte ihn einen Angriff auf die Redefreiheit. Als Zeugen traten Iwano-Frankiwsker Soldaten von der Front auf, die Kozaba vorwarfen, ihre persönlichen Kriegsdienstbedingungen erschwert zu haben.

Im Mai 2016 wurde Ruslan Kozaba zu dreieinhalb Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Das Gericht sah in seinen Handlungen keinen Hochverrat, befand ihn jedoch wegen „Behinderung der rechtmäßigen Aktivitäten der Streitkräfte der Ukraine“ für schuldig.

AMNESTY INTERNATIONAL rief die Ukraine dazu auf, den Journalisten unverzüglich freizulassen, und nannte Kozaba einen Prisoner of conscience (Gewissenshäftling). Die ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Walerija Lutkowska sah in der Verurteilung von Kozaba einen Verstoß gegen Paragraph 10 der Europäischen Konvention für Menschenrechte.

In der Berufungsverhandlung 2016 wurde Ruslan Kozaba wegen „Mangels an Beweisen“ nach insgesamt über 17 Monaten Untersuchungshaft frei gelassen.

Doch im Juni 2017 wurde dieser Freispruch vom Obersten Gericht für Zivil- und Strafsachen wieder kassiert. Seitdem wird gegen Kotsaba weiterverhandelt. Bei einer Verurteilung droht Kozaba eine mehrjährige Freiheitsstrafe.

2019 plante der Vorstand des Vereins Aachener Friedenspreis, den Friedenspreis an Kozaba zu verleihen. Dies führte zu erheblichem Unmut unter ukrainischen Bloggern und Putin-Kritikern, die Kozaba eine Parteinahme für die Aufständischen in der Ostukraine sowie seine Verharmlosung des Konflikts als Bürgerkrieg vorwarfen. Sie verwiesen darüberhinaus auf ein Video aus dem Jahr 2011, in dem Kozaba den Juden eine Mitschuld am Holocaust unterstellt. 

Zunächst stritt Kozaba dies ab und meinte, die kritisierte Passage sei aus dem Kontext gerissen und vom ukrainischen Geheimdienst manipuliert. Später gab er zu, diese Äußerungen getätigt zu haben. Er bedauere sie und habe die Passagen aus dem Video entfernt.Der Vereinsvorstand entschied sich jedoch nun gegen eine Preisverleihung.

Im Februar 2021 liess der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drei oppositionelle Nachrichtensender verbieten, darunter die Sender 112 und NEWS ONE. Der Schritt wurde mit einer angeblichen Gefährdung der nationalen Sicherheit und Verbreitung von russischer Propaganda begründet. Die Sender bezeichneten in einer gemeinsamen Erklärung das Verbot als „Abrechnung mit unbequemen Medien“.

Der Chef des ukrainischen Journalistenverbandes, Nikolaj Tomilenko, sagte dazu: „Der Entzug des Zugangs zu ukrainischen Medien für ein Millionenpublikum ohne Gericht (…) ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit.“

Im Juni 2021 wurde Ruslan Kozaba in der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk von Rechtsradikalen auf dem Bahnhof mit einem Desinfektionsmittel übergossen. Augenärzte diagnostizierten eine Hornhautverätzung an einem Auge. Der Überfall dürfte mit der für den 29. Juni angesetzten Gerichtsverhandlung gegen ihn im Zusammenhang stehen.

Mit der ätzenden Chemikalie „Seljonka“ wird immer wieder gegen Oppositionelle vorgegangen. Bekanntestes Opfer eines Seljonka-Angriffs ist der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny. Sein rechtes Auge war nach einem Seljonka-Angriff im Mai 2017 schwer geschädigt worden.

Im Juli 2022 wird der Prozess gegen den ukrainischen Journalisten, Pazifisten und Kriegsdienstverweigerer Ruslan Kozaba fortgesetzt.

Quellen:

https://taz.de

https://de.wikipedia.org

https://www.n-tv.de

https://www.dw.com

https://de.connection-ev.org

Künstlerin: Verena Rossow