Aslıhan Gençay, *Türkei, wiederholt in türkischer Haft, 2020 Entlassung erschwert 

Aslıhan Gençay, *Türkei, wiederholt in türkischer Haft, 2020 Entlassung erschwert 

Die türkische Journalistin Aslıhan Gençay war Kolumnistin für die Nachrichten-Websites BIANET und SIYASI HABER. BIANET („unabhängiges Kommunikationsnetzwerk“ ) ist eine türkische Presseagentur mit Sitz in Istanbul. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Menschenrechten. Sie wird hauptsächlich von einer schwedischen Organisation finanziert. BIANET wurde im Jahr 2000 von Journalisten um Nadire Mater (ehemalige Vertreterin von Reporter ohne Grenzen) und dem linken Aktivisten Ertuğrul Kürkçü gegründet. BIANET wird größtenteils von der Europäischen Kommission durch das „Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR)“ finanziert und gibt u.a. viermal im Jahr einen Berichte über die Meinungsfreiheit in der Türkei ab.

Die Journalistin Aslıhan Gençay wurde erstmals 1992 wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation verhaftet und zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. In den frühen 2000er Jahren trat sie in einen Hungerstreik, und ihre Haftstrafe wurde ausgesetzt, weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sie für haftunfähig erklärte. Im Jahr 2016 wurde sie erneut verhaftet mit der Begründung, dass sie noch Zeit ihrer erste Verhaftung zu verbüßen habe. 2020 sollte Aslıhan Gençay nach vier Jahren wegen guter Führung vorzeitig entlassen werden. Doch nachdem sie eine Leibesvisitation verweigerte, wurde ihr die Entlassung verweigert. Infolgedessen drohte ihr ein weiteres Jahr Haft. 

November 2020:  Aslıhan sollte in einen offenen Vollzug in der Provinz Sivas verlegt werden. Bei ihrer Ankunft in Sivas stimmte Aslıhan der Standard-Gefängnisdurchsuchung zu, hinterfragte aber die Gründe für die Forderung nach einer Leibesvisitation. 

Ein solche Leibesvisitation verlangt, dass sich die Insassen dreimal nackt nach vorne beugen bzw. in die Hocke gehen und sich wieder aufrichten müssen. Aslıhans Anfrage führte dazu, dass sie von den Gefängnisbehörden bestraft wurde und für drei Tage in Einzelhaft kam. Die Behörden leiteten eine Untersuchung ein, weil die Journalistin angeblich „beleidigt, bedroht und den Dienst behindert“ haben soll.

Die Wärter behaupteten in ihrer Version, Aslıhan habe sie nach der Aufforderung zur Leibesvisitation bedroht, indem sie gesagt habe, sie sei Journalistin und würde den Vorfall öffentlich machen. Sie sagten weiter, dass Aslıhan erklärt habe, sie sei eine Terroristin und würde ihre Organisation über den Vorfall informieren. Aslıhans Anwalt Bek sagte, dass die Journalistin keine derartigen Aussagen gemacht habe, sie habe lediglich nach dem Grund für die Leibesvisitation gefragt und ob diese legal sei.

Bek behauptete, dass ihr befohlen wurde, sich vollständig auszuziehen und dreimal in die Hocke zu gehen. Gençay fand später heraus, dass alle Häftlinge diese Prozedur durchlaufen mussten. Bek sagte, dies sei ungewöhnlich, weil die Insassen in diesem Gefängnis nur für eine sehr kurze Zeit dort waren, bis sie auf Bewährung entlassen wurden.

Bek sagte, dass Gençay fragte, warum sie gezwungen wurde, sich zu entkleiden, da dies nicht einmal in Hochsicherheitsgefängnissen eine übliche Prozedur sei. Die Gefängnisbehörden sahen dies als Bedrohung an, so Bek, und schrieben einen offiziellen Bericht, in dem sie ihr „Beleidigung“, „Bedrohung“, „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ und „Behinderung der Gefängniswärter bei der Ausübung ihrer Arbeit“ vorwarfen. Er sagte, dass sie am nächsten Tag herausfand, dass gegen sie ermittelt wurde.

Bek sagte, der Bericht sei so geschrieben worden, dass es so aussah, als ob Gençay sich der kompletten Durchsuchung ihrer Sachen und ihres Körpers widersetzt hätte. Sie hat sich jedoch nur gegen die Leibesvisitation gewehrt, die nur unter bestimmten Umständen durchgeführt werden kann.

Bek sagte, dass Gençay in den letzten 14 Jahren im Gefängnis ein- und ausgegangen sei und an die Gefängnisvorschriften gewöhnt sei. „Es ist undenkbar, dass sie ihre Bewährung ohne triftigen Grund gefährden würde.“ Er behauptete, die Gefängnisverwaltung verdrehe Fakten, um Gençays Bewährung zu verhindern.

Nach den türkischen gesetzlichen und präventiven Durchsuchungsvorschriften dürfen Leibesvisitationen nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden, etwa wenn es glaubwürdige Hinweise darauf gibt, dass die Person verbotenes Material bei sich hat. In solchen Fällen muss die Durchsuchung so durchgeführt werden, dass die Person nicht erniedrigt wird und so schnell wie möglich. Wenn ein glaubwürdiger Verdacht besteht, dass etwas im Körper der Person versteckt ist, sind die Beamten verpflichtet, die Person aufzufordern, es selbst zu entfernen und ihr mitzuteilen, dass die Entfernung durch den Gefängnisarzt erfolgt, wenn sie nicht gehorcht.

Die Aussagen einer zunehmenden Anzahl von Frauen, die wegen Terrorismusvorwürfen inhaftiert sind, zeigen jedoch, dass die türkischen Sicherheitskräfte Strip-Durchsuchungen rechtswidrig und systematisch einsetzen, um sie zu demütigen.

Laut Bek werden Leibesvisitationen von den Gefängnissen als Mittel eingesetzt, um den Willen der Gefangenen zu brechen, insbesondere wenn sie wegen Terrorismus inhaftiert sind. „Weibliche Häftlinge fühlen sich zu sehr gedemütigt, um dies jemandem mitzuteilen, nicht einmal ihren Familien und Anwälten. Sie glauben nicht einmal, dass sie das Recht haben, sich zu wehren, und wenn sie es tun, werden sie bestraft wie Aslıhan Gençay“, sagte Bek.

Bek sagte, es gab keine Sicherheitskameras, als die Durchsuchung durchgeführt wurde, so dass es das Wort des Insassen gegen das Wort der Wachen war. „Die Wärter wissen das natürlich, sie schreiben diese Berichte, weil sie wissen, dass es keine Folgemaßnahmen geben wird. Das Gericht wird auf der Grundlage dieser Berichte über die Bewährung entscheiden.“

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass Leibesvisitationen eine erniedrigende Behandlung darstellen, wenn sie nicht durch zwingende Sicherheitsgründe und/oder aufgrund der Art und Weise, wie sie durchgeführt wurden, gerechtfertigt sind.

Aber die Praxis wurde von den türkischen Sicherheitskräften häufig gegen Personen angewandt, die politischer Verbrechen verdächtigt oder überführt wurden. Im August wurde berichtet, dass Eylem Oyunlu, die mit ihrem 10 Tage alten Baby unter dem Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Organisation inhaftiert war, in der südöstlichen Stadt Diyarbakır einer Leibesvisitation unterzogen wurde. Bereits im Mai 2018 wurde Pınar Aydınlar, eine berühmte Folksängerin und Parteiratsmitglied der pro-kurdischen Demokratischen Volkspartei (HDP), von Wärtern im Istanbuler Bakırköy-Gefängnis für Frauen geschlagen, nachdem sie eine Leibesvisitation verweigert hatte.

Einige der Frauen sagten, die Beamten, die die Durchsuchung durchführten, hätten gelacht, als sie sich entkleideten. Der Menschenrechtsverteidiger und HDP-Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu sagt, dass Leibesvisitationen in der Tat durchgeführt werden, um die Gefangenen zu demütigen.

Die „Koalition für Frauen im Journalismus“ (CFWIJ) verurteilte die erniedrigende Behandlung von Aslıhan Gençay und forderte ihre sofortige Freilassung. Diese schändlichen Praktiken sind einfach Teil eines Systems der Einschüchterung. Solche Behandlungen sind unwürdig und untragbar. CFWIJ ist eine weltweite Organisation zur Unterstützung von Journalistinnen.

Quelle: Wikipedia, CFWIJ, https://stockholmcf.org/journalist-aslihan-gencay-disciplined-for-objecting-to-unlawful-strip-search-in-prison/ 

Künstlerin: Susanne Köhler