GUI MINHAI  * 1964 China, seit 2015 in chinesischer Haft

Gui Minhai *1964 Zhejiang, China, seit 2015 in chinesischer Haft

Gui Minhai (auch bekannt als Michael Gui) ist ein regimekritischer Verleger und Autor mit chinesischer und schwedischer Staatsbürgerschaft. Aufgewachsen China, studierte Gui Minhai Geschichte und begann sich für Literatur und Poesie zu interessieren. Während eines Auslandsaufenthaltes in Schweden ereignete sich in China das Tian’anmen-Massaker 1989, die blutige Niederschlagung der ersten chinesischen Demokratiebewegung. Daraufhin gewährte ihm Schweden unbegrenzt Aufenthalt und später die schwedische Staatsbürgerschaft.

Nach Arbeitsaufenthalten in China zog er nach Deutschland. Dort trat er 2006 dem chinesischen PEN-Zentrum bei. Dieses ist Ableger des PEN International, einem Autorenverband. Die drei Buchstaben stehen für Poets, Essayists, Novelists. Dieser weltweit arbeitende Verband setzt sich für die Gedankenfreiheit in der Literatur ein, aber auch für freie Meinungsäußerung und AutorInnen-Rechte.

Minhai organisierte und besuchte Veranstaltungen zu Menschenrechten. Als er 2008 versuchte, nach China einzureisen, wurde ihm dies verwehrt. Im Jahr 2012 gründete er in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong den Buchverlag MIGHTY CURRENT MEDIA. Er erwarb sich fortan einen Ruf als Autor und Verleger regimekritischer Bücher.

Als Beobachter und Kommentator des politischen Chinas der Gegenwart fiel er beim Regime in Ungnade. Zuletzt wurde er am 17. Oktober 2015 in Thailand während eines Urlaubsaufenthaltes gesehen. Seitdem befindet er sich in chinesischer Gefangenschaft – ohne Rechtsbeistand und auch ohne Prozess. Der schwedischen Regierung ist es bis heute nicht gelungen, ihren Staatsbürger frei zu bekommen. 2017 wurde Minhai während seiner Freilassung abermals entführt.

Am 19. Januar 2018 bestieg eine Gruppe von etwa 10 Männern in Zivilkleidung einen Zug Richtung Peking und zog Gui aus dem Zug heraus. Gui war nach Angaben seiner Tochter Angela in Begleitung von zwei hochrangigen schwedischen Diplomaten auf dem Weg zu einer medizinischen Untersuchung in der schwedischen Botschaft. Die schwedische Regierung bestätigte den Vorfall. Anfang Februar erschien Gui vor Reportern von regierungsnahen Nachrichtenagenturen, darunter der SOUTH CHINA MORNING POST aus Hongkong mit einem Geständnis: Schweden mache seinen Fall zur Sensation und habe ihn unter dem Vorwand eines Arzttermins in der schwedischen Botschaft in Peking zu einem erfolglosen Versuch verleitet, China zu verlassen. Sie würden angeblich auf eine Gelegenheit warten, Gui nach Schweden zurückzubringen.

Human Rights Watch und Amnesty International verurteilten „diese Art von erfundenem [Geständnis], das in Isolationshaft gemacht wurde“. Schweden verurteilte in der folgenden Woche die „brutale Intervention“ Chinas im Fall von Gui.

Im Februar 2019 schrieb Guis Tochter Angela einen Blog-Beitrag, in dem sie eine „sehr seltsame Erfahrung“ dokumentierte, die Anna Lindstedt, die schwedische Botschafterin für China, involvierte. In dem Beitrag behauptete sie, Lindstedt habe sie Mitte Januar kontaktiert und sie zu einem Treffen in Stockholm eingeladen, das sie mit einigen chinesischen Geschäftsleuten vereinbart hatte. Lindstedt dachte, diese Leute könnten helfen, die Freilassung ihres Vaters zu erreichen.

Angela erzählte in ihrem Blog, dass das Treffen in einem privaten Aufenthaltsraum in einem Stockholmer Hotel stattfand. Sie war dort tagelang abgeschieden und wurde sogar zur Toilette begleitet. Die Männer, die behaupteten, „Verbindungen innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas“ zu haben, benutzten anscheinend eine Mischung aus Anstiftung, Manipulation und Drohungen gegen sie. Es wurde ihr gesagt, dass die Freilassung ihres Vaters davon abhängig gemacht würde, ob sie ihre Kampagne abbricht und Kontakt zu den Medien vermeidet. Man bot ihr ein chinesisches Visum sowie eine Stelle in der chinesischen Botschaft an. Angela zufolge deutete die Anwesenheit und die scheinbar unterstützende Haltung von Botschafterin Lindstedt daraufhin, dass die Gespräche vom schwedischen Außenministerium initiiert worden waren. Dennoch fühlte sie sich bei dem Treffen unwohl.

Als sie sich später beim schwedischen Außenministerium erkundigte, wurde ihr gesagt, dass sie von den Ereignissen nichts wissen, bestätigte allerdings später, dass die Botschafterin abberufen worden sei und dass eine interne Untersuchung des Vorfalls im Gange sei. Später wurde Lindstedt von der schwedischen Staatsanwaltschaft wegen „Willkür bei Verhandlungen mit einer ausländischen Macht“ angeklagt, wurde aus Mangel an Beweisen jedoch freigesprochen. Die chinesische Botschaft in Stockholm bestritt jede Beteiligung.

Am 25. Februar 2020 wurde Gui wegen „illegaler Bereitstellung von Geheimdienstinformationen im Ausland“ angeklagt und zu 10 Jahren Haft verurteilt.

Gui ist ein eingebürgerter schwedischer Staatsbürger, der seinen Reisepass erst vor kurzem erneuert hatte. Trotzdem behaupteten chinesische Behörden, dass Gui 2018 beantragt habe, seine chinesische Staatsbürgerschaft wiederherzustellen. Eine Maßnahme, die Beobachter als beispiellosen Schritt beschrieben, um ihm den Zugang zum Konsulat zu sperren. In China ist  doppelte Staatsbürgerschaft verboten. Nun befürchten viele im Exil lebende Chinesen, daß das hier Geschehene für China leicht zur Gewohnheit werden könnte: ethnische chinesische Kritiker ins Ausland zu entführen, sie zurückzubringen und gegen ihren Willen gewaltsam ihre chinesische Staatsangehörigkeit wiederherzustellen.

Die Vereinigten Staaten bezeichneten Gui ausdrücklich als „schwedischen Staatsbürger“ und forderten seine sofortige und bedingungslose Freilassung. Das US-Außenministerium: „Wir werden uns weiterhin an der Seite unserer Partner und Verbündeten für eine stärkere Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in China einsetzen“.

Gui Minhai erhielt folgende Auszeichnungen:

  • 2018 von der Internationalen Verleger-Union die Auszeichnung Publishing Freedom Award (Prix Voltaire) für furchtloses Publizieren im Angesicht von Widrigkeiten.
  • 2019  vom schwedischen P.E.N. (Svenska PEN) den Tucholsky-Preis (Schweden)
  • 2020   mit dem internationalen Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit

Quellen: freeguiminhai.org, Wikipedia

Künstlerin: Verena Rossow