Nazlı Ilıcak, * 1944 Türkei, 2018 zu lebenslanger türkischer Haft verurteilt, 2019 unter Auflagen frei

Nazlı Ilıcak, * 1944 Türkei, 2018 zu lebenslanger türkischer Haft verurteilt, 2019 unter Auflagen frei

Nazlı Ilıcak ist Journalistin und ehemalige Abgeordnete der islamistischen Fazilet Partisi (Tugendpartei). Nazli Ilıcak ist die Tochter des ehemaligen Ministers Muammer Çavuşoğlu. Sie besuchte das französische Gymnasium Notre Dame de Sion Fransız Lisesi in Istanbul und studierte anschließend an der schweizer Universität Lausanne.

Im Jahr 1969 heiratete sie den Besitzer der Zeitung TERCUMAN, Kemal Ilıcak. Aus der Ehe gingen ein Sohn und eine Tochter hervor.

Zwischen 1992 und 1994 moderierte sie für den staatlichen Sender TRT eine politische Sendung.

Bekannt wurde sie dadurch, dass sie die Abgeordnete Merve Kavakçı bei deren Vereidigung begleitete, die den Eid mit Kopftuch ablegen wollte. Das war damals verboten und sorgte für Aufsehen. Die Partei wurde 2001 verboten.

2013 verfasste sie einige regierungskritische Artikel und forderte in einer Fernsehsendung den Rücktritt von Ministern wegen eines Skandals um Unterschlagungen. Daraufhin trennte sich die Zeitung SABAH von ihr – aufgrund von „Meinungsverschiedenheiten“. Ilıcak kommentierte ihren Rauswurf mit dem Tweet „Anstelle meiner Persönlichkeit habe ich meine Arbeit verloren“.

Ilıcak, deren Nähe zum Gülen-Netzwerk bekannt war, wurde im Zuge der Maßnahmen nach dem Putschversuch in der Türkei 2016 wenige Tage nach dem Putschversuch in Bodrum festgenommen.

Die Hauptanklageschrift der Staatsanwaltschaft Istanbul bezeichnete Nazli Ilıcak und die Brüder Mehmet und Ahmet Altan als „Elemente in den Medien, die sich an dem Putschversuch einer Terrororganisation beteiligt haben“. Sie sollen laut Presseberichten in einer Sendung „subliminale“ (unterschwellige) Andeutungen über den bevorstehenden Putsch gemacht haben. Am 16. Februar 2018 wurde Nazli Ilicak zu lebenslanger Haft verurteilt.

2019 wurde sie unter Auflagen freigelassen. Ein weiteres Verfahren gegen sie dauert aber noch an.

Im Dezember 2021 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Türkei wegen der langen Untersuchungshaft von Nazli Ilicak. Das Straßburger Gericht war der Ansicht, es habe keine plausiblen Gründe gegeben, Ilicak wegen ihrer Tätigkeit als Journalistin der Terrorunterstützung zu verdächtigen.

Zudem habe die Türkei mit der langen Untersuchungshaft Ilicaks Menschenrecht auf Freiheit und Sicherheit verletzt. Auch ihr Recht auf freie Meinungsäußerung sei eingeschränkt worden. Die Türkei muss der heute 77-Jährigen nun 16.000 Euro Schadenersatz zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Stand Januar 2022)

 

Quellen:

Hürriyet (vom 19. Dezember 2013, vom 8. Dezember 2015,  vom 22. Februar 2017)

WELT vom 16. Februar 2018, www.dw.com/de/journalistin-siegt-vor-gerichtshof

Künstler: Fritz Giersbach