Nguyễn Văn Hoá, * 1995 Vietnam, in Haft seit 2017

Nguyễn Văn Hoá, * 1995 Vietnam, in Haft seit 2017

Nguyen van Hoa war Mitarbeiter von RADIO FREE ASIA. Er berichtete unerschrocken über Proteste im April 2016 gegen ein Fischsterben großen Ausmaßes – vier vietnamesische Provinzen waren davon betroffen. Nguyen van Hoa nahm Videos von den Umweltprotesten mit einer Flycam-Drohne auf und veröffentlichte sie auf verschiedenen Social-Media-Plattformen. Dadurch half er  den betroffenen Fischern und deren Familien, Entschädigungen für die Umweltzerstörung zu erlangen. Doch statt eines Verdienstordens der sozialistischen Republik Vietnam erhielt der junge Journalist eine Gefängnisstrafe von 7 Jahren.

Was war geschehen?  

Das Stahlwerk Formosa Ha Tinh Steel nördlich von Đồng Hới gehört der taiwanesischen Formosa Plastics Group, einer der weltgrößten Hersteller von Kunststoffen. Für den Bau des Stahlwerks wurden im Jahr 2010 33 km² Land erworben. 7 Jahre später wurde das Werk in Betrieb genommen. Bei einem Testbetrieb im April 2016 wurden über die Abwässer unter anderem Phenol, Eisenhydroxid und Zyanid in das Südchinesische Meer eingeleitet. Das führte zu einem massenhaften Fischsterben. Über 200 km der Küste wurden verseucht. Schätzungsweise 277 Tonnen Fische wurden angeschwemmt bzw. starben in den zahlreichen Fischfarmen. Vietnamesische Wissenschaftler gehen davon aus, dass es mindestens 50 Jahre dauern wird, bis sich das zerstörte Ökosystem an der Küste wieder erholt hat. Die Firma wurde in einer Stellungnahme der vietnamesischen Regierung als verantwortlich für die Umweltkatastrophe bezeichnet. Dabei erregte ein Formosa-Manager Unmut mit folgender Bemerkung: 

 „Die Vietnamesen müssten sich schon entscheiden, ob sie Stahl produzieren oder Fisch essen wollen.“

Anstatt die Öffentlichkeit von der Umweltkatastrophe zu informieren und die Bevölkerung vor den Gesundheitsgefahren zu warnen, zerschlug die vietnamesische Regierung die Proteste mitunter brutal:

Hoas Verhaftung war Teil einer Reihe von Verhaftungen von Aktivist:innen durch die Behörden des Ein-Parteien-Staates in den Tagen vor dem vietnamnesischen Neujahrsfest. Der junge Bürgerjournalist  Hoa wurde am 11. Januar 2017 während der Arbeit verhaftet. Die Ausrüstung des 22-Jähigen einschließlich seines Mobiltelefons und seiner Kamera wurde beschlagnahmt.  Er kam in Isolationshaft. Seine Familie wurde erst am 23. Januar von den Behörden über seine vorübergehende Inhaftierung informiert.

Hoa wurde zunächst wegen „Missbrauchs der demokratischen Freiheiten“ angeklagt, später in einem eintägigen Prozess wegen „staatsfeindlicher Propaganda“ zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

„Vietnam sollte aufhören, Journalisten wie Kriminelle zu behandeln, und Nguyen Van Hoa sollte sofort und ohne Anklage freigelassen werden.“ erklärte „Reporter ohne Grenzen Südostasien“.

Die Menschenrechtsorganisation „Humans Rights Watch“ forderte Vietnams internationale Geber und Handelspartner der Regierung  auf, laut und deutlich zu sagen, dass sie ihre Beziehungen überdenken werden, wenn sie weiterhin friedliche Kritiker ins Gefängnis werfen.

Mehr als 25 internationale Digital- und Menschenrechtsgruppen erklärten am World Press Freedom Day am 3. Mai 2017 in Bezug auf Nguyen van Hoa: “Angesichts der wachsenden sozialen und ökologischen Herausforderungen sollte die vietnamesische Regierung Transparenz und einen friedlichen Dialog begrüßen. Die Unterdrückung von Bürgerjournalisten ist nicht nur ein Verstoß gegen die Menschenrechte, sondern auch ein großes Hindernis für Vietnams Bestreben, ein Technologie- und Innovationszentrum zu werden.“

Das Parlament der Europäischen Union  verabschiedete im Dezember 2017 einen Entschließungsantrag zum Recht auf freie Meinungsäußerung in Vietnam, in dem auch der Fall von Nguyen Van Hoa ausdrücklich erwähnt wird.

Nach Berichten von Experten, die Vorgänge im Zusammenhang mit Menschenhandel überwachen, führte die Umweltkatastrophe in Ha Tinh zu vermehrtem Handel mit jungen Vietnames:innen, die nach Europa reisten, um dort unter sklavenähnlichen Bedingungen die finanzielle Situation ihrer Familien zu verbessern. Unter den 39 Opfern aus Vietnam, deren Leichen im Oktober 2019 in einem Kühllastwagen im englischen Grays gefunden wurden, waren auch Menschen aus der Provinz Hà Tĩnh. 

Umweltprobleme in Vietnam:

Eine Regenerationszeit von 50 Jahren für das betroffene Meeresgebiet hält auch der deutsche Experte Dr. Friedhelm Schroeder – zumindest für die geschädigten Korallenriffe – nicht für ausgeschlossen. Ursächlich dafür sieht er allerdings nicht den Einzelfall der jetzigen Katastrophe, sondern generell den praktisch nicht vorhandenen Umweltschutz in Vietnam. „Das gesamte betroffene Küstengebiet steht voller Fabriken. Diese leiten ihre Abwässer größtenteils ungeklärt ins Meer“, erklärt er. Gleichzeitig übt er Kritik, dass man bei der Ursachenerforschung andere mögliche Verursacher völlig außer Acht gelassen habe. Vorstellbar sei auch, dass das Immunsystem der Fische durch die dauernde Umweltbelastung schon sehr geschwächt ist. Dann habe es nur eines „kleineren“ Auslösers bedurft. Dann war das massive Fischsterben in Vietnam nicht mehr aufzuhalten.

„In Vietnam werden industrielle und kommunale Abwässer größtenteils ungeklärt in die Umwelt geleitet. Die meisten Gewässer sind stark mit Schad- und Nährstoffen belastet“, ist das traurige Fazit des deutschen Wissenschaftlers.

Fehlende oder mangelhafte Kläranlagen sind in Vietnam keine Ausnahme. Übliche Praxis sei es, zwei Abwasserleitungen zu betreiben. Eine offizielle zum Vorzeigen bei Routinekontrollen. Eine für den alltäglichen Betrieb, wenn keine Kontrollen zu befürchten sind. Dies erläutert Michael Zschiesche vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V. in seiner Studie „Umweltschutz in Vietnam“ aus dem Jahr 2012. Inzwischen gibt es zwar umfangreiche Umweltschutzregularien, doch anscheinend nur eine lasche Umsetzung.

Während in Deutschland lebende Vietnamesen, die sich Hilfe suchend auch an die „Stiftung Meerresschutz“ wandten, erfahren haben wollen, dass Formosa Steel seine Abwässer ungeklärt über ein 2 km langes Rohrsystem in 17 m Tiefe ins Meer einleitet, bestätigt Dr. Schroeder Formosa eine moderne Kläranlage mit automatischer Messstation in Augenschein genommen zu haben. 

Schließlich erklärte sich die Firma bereit, für die Abfallentsorgung 500 Millionen $ zu zahlen, scheibt Wikipedia. Anderen Medienberichten zufolge soll Formosa neben umwelttechnischer Aufrüstung und Transparenz eine Entschädigung von umgerechnet etwa 500 Millionen USD für die Betroffenen sowie für Säuberungsmaßnahmen versprochen haben. Formosa Steel Ha Tinh entschuldigte sich Ende Juni für den Vorfall. Aufgrund eines mehrtägigen Stromausfalls habe die Kläranlage nicht ordnungsgemäß funktioniert.

Auch die vietnamesische Regierung verspricht Hilfe für die Geschädigten durch Umschulungen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Doch leider steht zu befürchten, dass die Menschen in ihrer Not auch weiterhin mit vergiftetem Fisch Handel betreiben. Zumindest solange keine konkreten Hilfsmaßnahmen ergriffen werden.

Quellen: Wikipedia, stiftung meeresschutz.org

Künstlerin: Maria von Stülpnagel