Andrei Alexejewitsch Soldatow, *1975 Sowjetunion, lebt seit 2020 im Exil

Andrei Soldatow ist ein journalist aus Russland.

Andrei Alexejewitsch Soldatow, *1975 Sowjetunion, lebt seit 2020 im Exil

Andrei Alexejewitsch Soldatow ist ein unermüdlicher Aufklärer u.a. über die Einflußnahme russischer Geheimdienste in Form von Cyber-Kriminalität.

Er studierte Journalismus an der Moskauer Staatlichen Sozialen Universität. Danach  arbeitete er bei verschiedenen Printmedien, z. B. bei SEGODNYA ISZVESTIJA, NOVAYA GAZETA, ISWESTIJA.

Zusammen mit mehreren Kollegen, darunter auch seine Ehefrau Irina Borogan, gründete er 2000 das renommierte Recherche-Portal AGENTURA.RU, das sich auf russische Geheimdienste konzentriert. AGENTURA.RU bietet täglich Informationen und Analysen über die Nachrichtendienste in Russland und in vielen anderen Ländern der Welt. So warnte AGENTURA.RU in Berichten vor dem wachsenden Einfluss der Geheimdienste auf den russischen Staat, die Politik und die Wirtschaft. Die Agentur berichtet über aktuelle Spionagefälle, interviewt Überläufer und registriert Veränderungen in den Geheim- und Sicherheitsdiensten einzelner Länder.

Soldatow selbst wurde zu einem Sicherheitsexperten, dessen Analysen und Bewertungen zu den aktuellen Entwicklungen der Nachrichten- und Sicherheitsdienste in westlichen Medien und Thinktanks gefragt sind. Er berichtete auch über die Bemühungen der Sicherheitsdienste, die journalistische Freiheit insbesondere bei der Berichterstattung über derart sensible Themen einzuschränken.

Für ECHO MOSKVY und MOSCOW NEWS berichtete Soldatow über die Geiselnahme von Beslan im September 2004.

Ab Januar 2006 war er für die NOVAYA GAZETA tätig, für die er über den Krieg im Libanon und die Spannungen in Palästina (Westbank und Gazastreifen) berichtete. 

Die Zeitung entzog ihm im November 2008 abrupt die Akkreditierung und entließ ihn sowie seine Frau und Kollegin Irina Borogan, vermutlich aus Zensurgründen und wegen ihrer Recherchen zum Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja. 

In aktuellen Beiträgen sowie auf Seminaren befasste er sich mit der Verschärfung der Zensur des russischen Internets, mit neuen Schikanen der Regierung gegen die Opposition nach der Demonstrationswelle von 2011/2012 und mit neuen Erscheinungen des Terrorismus. Der Anschlag auf den Boston-Marathon gab ihm Anlass zu Spekulationen über Terrornetzwerke, die Russland und die USA miteinander verbinden. 

Soldatow ist Autor und Co-Autor verschiedener Veröffentlichungen über die russischen Geheimdienste und die Internet-Überwachung: 

NOVYE IGRASIE PATRIOTIC (2004), The NEW NOBILITY (2010) und THE RED WEB (2015), The Compatriots: The Russian Exiles Who Fought Against the Kremlin (PUBLIC AFFAIRS, 2019,2022.) In THE NEW NOBILITY veröffentlichen Andrei Soldatow und Irina Borogan die Ergebnisse ihrer Recherche über den KGB-Nachfolger FSB. Sie beschreiben den Aufstieg eines neuen „Adels“ unter Putin und wie Geheimdienst-Kreise und Freunde Putins die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bestimmen. 

Für seine kritischen  Werke erhielt Andrei Soldatow 2017 den Publizistik-Preis LIBERAL MISSION.

In einer Periode der Beschränkungen der Pressefreiheit und der Pressionen gegen Andersdenkende zeigt Soldatow erstaunlichen Mut. Seine Enthüllungen über die Rolle des KGB in den Regierungsinstitutionen, über Korruption und Operationen der Geheim- und Sicherheitsdienste hatten für ihn persönlich bislang relativ wenig Konsequenzen – abgesehen von gelegentlichen Befragungen durch den FSB.

Eine mögliche Erklärung dafür ist Protektion durch seinen Vater Alexei Soldatow, einem Pionier des Internets und der Telekommunikation in Russland. Seit 1991 leitete dieser die Telekommunikationsfirma „Relkom“, die der Seite seines Sohnes AGENTURA.RU das Hosting bot. Soldatow sen. beriet die Regierung und die Sicherheitsdienste in Technologie- und Sicherheitsfragen. 

Im Juni 2008 hatte ihn der damalige Ministerpräsident Wladimir Putin zum Stellvertretenden Kommunikationsminister ernannt. Im November 2010 wurde er Prorektor der staatlichen Lomonossow-Universität in Moskau (MGU), 2012 Berater des Rektors der MGU. 

Im Jahre 2020 verließ Andrei Alexejewitsch Soldatow die russische Föderation, er lebt im Exil in London. 

Nach einem Bericht des Menschenrechts-Projekts OVD-Info wurde im März 2022 gegen den damals 47-Jährigen ein Verfahren wegen angeblicher Falschinformationen über die Armee eingeleitet und sein Name auf die Fahndungsliste gesetzt. RADIO FREE EUROPE/RL meldete am 6. Juni 2022, dass er auf der Fahndungsliste des russischen Innenministeriums stehe und dass  sein Vermögen eingefroren wurde.

Im März 2023 war Soldatow an der Veröffentlichung der „Vulkan Viles“ beteiligt, die das digitale Waffenarsenal und die heimliche Subversionsarbeit Russlands aufdeckten. Bei den „Vulkan Files“ (deutsch „Vulkan-Dateien“) handelt es sich um geleakte E-Mails und andere Dokumente, die die Entwicklung von Sabotage-Software des russischen Unternehmens NTC Vulkan bezeugen. Auftraggeber der Softwareprogramme waren das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation und die Geheimdienste FSB, GRU und SWR, gesteuert vom Kreml. Genutzt wurde und wird die Software für Cyberkriminalität, politische Einmischung in ausländische Angelegenheiten – beispielsweise der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2016 – über soziale Medien, für Zensur inländischer sozialer Medien und für Spionage. 

An den Recherchen waren fünfzig Journalisten aus elf Medienhäusern in acht Staaten beteiligt, darunter Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten. Koordiniert wurde die internationale Recherche von dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL und dem Investigativ-Start-Up PAPER TRAIL MEDIA.

Russische Cyber-Angriffe auf NATO-Staaten vervierfachten sich nach Angaben von Google 2022 im Vergleich zu 2020. Im April und Mai 2022 versuchten russische Hacker-Aktivisten unter dem Pseudonym „Killnet“, Websites deutscher Behörden, Ministerien und Flughäfen zu überlasten. Im Februar 2022 kappten russische Hacker die Datenverbindungen von fast 6000 Windrädern in Deutschland. 

Im März 2023 schrieb Soldatow über die „Vulkan Viles“ im GUARDIAN und wurde darüber auch im ZDF interviewt.

Im Jahre 2024 wurde sein Vater zu einer zweijährigen Haftstrafe wegen „Missbrauchs seiner Amtsbefugnisse“ bei der Verwaltung von IP-Adressen verurteilt. Er verbüßt seine Strafe in einer Strafkolonie in der Region Rjasan. Er ist schwer krank, Kontakt zu seinem Sohn ist nur per Brief und Telefon möglich.

Bei T-INVARIANT berichtete Andrei Alexejewitsch Soldatow in einem Interview im April 2025, dass im Jahr 2022 Strafverfahren gegen Journalisten wegen angeblicher Falschinformationen über die russische Armee eröffnet wurden. Er beschrieb, wie Medien sich durch Gesetze zur „Verbreitung von Falschinformationen” unter Druck gesetzt fühlen und dass die russischen Sicherheitsdienste sie bis zur Selbstzensur einschüchtern.

T-INVARIANT ist eine Medienplattform für die akademische Gemeinschaft. Sie wurde von Wissenschaftler:innen und Wissenschaftsjournalist:innen gegründet, die Russland verlassen haben.

Quellen: Agentura.ru, T-Invariant, Wikipedia, Kings’s College London, OVD-Info 

Anne Chavez und Gerhard Keller, Juli 2025

Künstlerin: Ernestine Kuger-Hoberg