Gülistan Tara, *1984 Türkei, ermordet 2024 im Irak

Gülistan Tara war eine türkische Journalistin. Sie wurde 2024 im Irak ermordet.

Gülistan Tara, *1984 Türkei, ermordet 2024 im Irak

Gulistan Tara war eine kurdische Journalistin aus der Türkei, die seit 2011 bei mehreren Medienunternehmen gearbeitet hat. Zunächst bei der pro-kurdischen türkischen Nachrichtenagentur DICLE NEWS AGENCY (DİHA), die 2016 geschlossen wurde. Dann bei der in Brüssel ansässigen Nachrichtenagentur HAWAR NEWS AGENCY (ANHA), die sich auf Kurden in Syrien konzentriert. Später arbeitete sie als Kamerafrau, Technikerin und Videoeditorin bei STERK TV. Im Jahr 2020 wurde sie Mitarbeiterin der CHATR MULTIMEDIA PRODUCTION COMPANY. Diese betreibt STERK TV und ARYEN TV, die beide auf Kurdisch senden und von der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) finanziert werden. Die Türkei, die USA und die Europäische Union haben die PKK als terroristische Organisation eingestuft und der irakische Nationale Sicherheitsrat verbot die Gruppe im März 2024.

Am 23. August 2024 traf eine türkische Drohne frontal ein unmarkiertes Auto in der Nähe des Dorfes Goptapa in der nordöstlichen Provinz Sulaymaniyah im irakischen Kurdistan. Das Fahrzeug ging sofort in Flammen auf. In dem Auto war die Journalistin Gülistan Tara zusammen mit zwei kurdisch-irakische Kollegen unterwegs: Die Journalistin Hero Bahadin und die 40-jährige Gülistan Tara wurden bei dem Angriff getötet. Ihr Kollege Rebin Bakir wurde bei dem Angriff aus dem Auto geschleudert und verletzt.

Als sie angegriffen wurden, befanden sich die drei auf einer Reportage-Mission entlang der Straße Sulaymaniyah-Halabja. Ihr Chef betonte später, dass die Journalist:innen „weder direkt noch indirekt mit politischen oder militärischen Aktivitäten in Verbindung standen“.

Die Türkei bekannte sich zu dem Angriff. Unter Berufung auf eine Quelle der Nationalen Geheimdienstorganisation behauptete die staatliche türkische ANADOLU AGENCY,  Gülistan Tara sei eine hochrangige PKK-Terroristin gewesen und der türkische Geheimdienst habe sie in einer „gezielte Operation“ „neutralisiert“. Sie habe Propaganda-, Desinformations- und Rekrutierungsaktivitäten für die PKK durchgeführt, hieß es. 

Das CPJ (Committee to Protect Journalists) fand keine Beweise für diese Behauptung und überprüfte mehrere Beispiele für Taras Arbeit, in denen sie als Journalistin bezeichnet wurde, darunter Videointerviews mit Nachrichtenagenturen.

Tara wurde am 30. August 2024 im Bezirk Hasankeyf in der südosttürkischen Provinz Batman beerdigt. Frauen trugen ihren Sarg als Tribut an ihr Engagement für die Rechte der Frau und stellten eine Kamera auf ihr Grab, um ihre journalistische Arbeit zu symbolisieren.

Die kurdische Nachrichtenagentur ANFDEUTSCH beschreibt die Ereignisse auf der Beerdigung ausführlich folgendermaßen:

„Nachdem die sterblichen Überreste von Gülistan Tara in Silêmanî verabschiedet worden waren, erreichte in der Nacht zum Freitag der Leichentransport die türkische Grenze nach Nordkurdistan in Silopiya. An der Grenze wurde der Leichenwagen von einer Menschenmenge mit der Parole „Die Gefallenen sind unsterblich“ empfangen. Der Leichnam wurde zunächst in das staatliche Krankenhaus in Şirnex gebracht, anschließend folgte die Überführung in Taras Geburtsort Êlih. Trotz tiefer Nacht wurde Taras Leiche auch in Êlih von vielen Menschen erwartet. Die Menschen riefen „Jin Jiyan Azadî“ (Frau Leben Freiheit) und skandierten Parolen gegen die Kollaboration der südkurdischen PDK mit dem türkischen Faschismus: „Tod dem Verrat, es lebe Kurdistan!“ Der PDK-Geheimdienst Parastin spielt eine wichtige Rolle bei der Weitergabe von Koordinaten an die Türkei für gezielte Angriffe. In einem Konvoi von mehreren hundert Fahrzeugen wurde der Sarg zum Friedhof gebracht.

Der Sarg wurde von Frauen zum Friedhof getragen. Die Polizei ging gegen den Leichenzug vor und blockierte ihn mit Schilden. Nur Familienangehörige und Abgeordnete sollten auf den Friedhof gelassen werden. Die Menschenmenge rief gegen diesen Angriff auf die Würde der Toten und der Angehörigen: „Die Menschenwürde wird über die Folter siegen“.

Die DEM-Abgeordneten Zeki İrmez und Sabahat Erdoğan Sarıtaş wurden am Eingang des Friedhofes von der Polizei geschlagen. Trotz der Angriffe konnten sich mehrere Frauen Zugang zum Friedhof verschaffen.

Dort wurde Gülisten Tara beigesetzt. Auf dem Grab wurden eine Kamera und Nelken niedergelegt. Die DEM-Abgeordnete Zeynep Oduncu sagte in einer Ansprache:

„Wir haben gesehen, unter welchen Bedingungen unsere Freundinnen und Freunde im föderierten Kurdistan arbeiten und mit welchen Schwierigkeiten die freie Presse zu kämpfen hat. Das was jetzt geschehen ist, ist eines der deutlichsten Beispiele für die Angriffe des AKP/MHP-Regimes auf unser Volk. Die Frauen sind das Hauptangriffsziel des Regimes. Es sucht nach immer neuen Wegen diese Frauen zu ermorden. Wir, als die Erbinnen der kämpfenden Frauen, werden unseren Kampf verstärken. Jin Jiyan Azadî!“

Die Firat News Agency (ANF) ist eine kurdische Nachrichtenagentur. Sie bietet Nachrichten in acht Sprachen an und berichtet schwerpunktmäßig über Kurden und die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Der NATO-Staat Türkei setzt seit Jahren Drohnen zur Tötung von Menschen ein, die er in Verbindung mit der PKK stellt. Die internationale Gemeinschaft ignoriert weitgehend diesen Luftkrieg des türkischen Staates gegen die Bevölkerung Kurdistans.

Reporter ohne Grenzen hat den Drohnenangriff als „abscheuliches Verbrechen gegen kurdische Journalist:innen“ verurteilt und forderte vollständige Aufklärung.

Stand der Recherche: Oktober 2024

Quellen: anfdeutsch.com, Reporter ohne Grenzen, cpj.org

Künstlerin: Susanne Köhler

Text: Ulrike Rein, Susanne Köhler