Hayri Demir *1989 Türkei, seit 2017 wiederholt in Haft

Hayri Demir *1989 Türkei, seit 2017 wiederholt in Haft

Hayri Demir fing 2012 als Journalist bei der türkischen Nachrichtenagentur DICLE HABER AJANSI an. Er arbeitete mehrere Jahre in den kurdischen Gebieten und ist auch als politischer Korrespondent in Ankara für die TAZ.GAZETE tätig sowie für die Nachrichtenagentur MEZOPOTAMYA.

Am 28. Februar 2016 brach ein Dieb in das Haus von Hayri Demir in Ankara ein. Nach Demirs Angaben wurden nur seine Kamera und zwei SD-Karten aus dem Haus gestohlen. Die gestohlenen Karten enthielten Interviews und anderes Bildmaterial im Zusammenhang mit den Kämpfen zwischen der Partei der Demokratischen Einheit (PYD) und dem Islamischen Staat (ISIS), die 2015 in Syrien aufgenommen worden waren. Später wurden die zwei Speicherkarten angeblich auf der Straße gefunden und der Polizei übergeben. Ein Jahr nach dem Diebstahl wurde Demir am 16. März 2017 verhaftet. Nach acht Tagen wurde er freigelassen. Die Ermittlungen dauerten zwei Jahre. 

In der nordsyrischen Stadt Afrin gab es im Januar 2018 einen Militäreinsatz der türkischen Armee. Hayri Demir gab auf Twitter Beobachtungen dieser Militäroperation wieder, die von den offiziellen Informationen der Regierung abwichen.

Wegen seiner Social-Media-Beiträge wurde Hayri Demir am 22. Januar 2018 bei einer Polizeirazzia in seinem Haus in Ankara festgenommen. Einige seiner Berichte wurden als „Beweise“ beschlagnahmt, darunter ein Interview mit der ehemaligen Co-Vorsitzenden der HDP, Figen Yüksekdağ.

Nach vier Tagen in Untersuchungshaft wurde Demir am 26. Januar 2018 gegen Kaution wieder auf freien Fuss gesetzt und ihm ein Reiseverbot erteilt. 

In der Anklageschrift werden 12 Bilder von Demirs Social-Media-Account, Artikel von seiner persönlichen Webseite und die im Norden Syriens gefilmten Tonbänder als wesentliche Elemente seines „Verbrechens“ genannt.

Schließlich wurde Demir zu mehr als anderthalb Jahren Haft wegen „terroristischer Propaganda und Volksverhetzung“ verurteilt.

Auch gab es gegen ihn, eine Kollegin von ARTI TV, Sibel Hürtaş, und zehn weitere Kollegen am 9. April 2018 Anklagen wegen der Posts in den Soziale Medien zu dem türkischen Militäreinsatz in Syrien. Es drohten bis zu über 10 Jahren Gefängnis. 

Demir wurde auch vorgeworfen, er habe in sozialen Medien eine Anzeige geteilt, die sich dem Gedenken an ermordete türkische Journalisten in den 90er Jahren widmete.

In den drei folgenden Jahren folgten Anhörungen, die immer wieder – zum Teil wegen der Pandemie – vertagt wurden. Demir machte geltend, daß das gestohlene Bildmaterial als Beweismaterial nicht zulässig sei und dass ihm seine journalistische Tätigkeit vorgeworfen werde, das Fotomaterial seiner journalistischen Tätigkeit zuzuordnen sei. Das Gericht seinerseits forderte vergeblich von der Anti-Terror-Einheit der Polizei in Ankara Aufklärung über die Herkunft und den Umgang mit dem Beweismaterial.

Eine sechste Anhörung im Wiederaufnahmeverfahren gegen den Journalisten Hayri Demir wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ und „Terrorismuspropaganda“ fand am 20. November 2024 vor dem 15. Obersten Strafgerichtshof statt.
Hayri Demir war bei der Anhörung anwesend.
Die endgültige Stellungnahme des Staatsanwalts zu dem Fall wurde bei dieser Anhörung erwartet. Der neu bestellte Staatsanwalt beantragte jedoch Zeit, um die Akte zu prüfen und seine endgültige Stellungnahme zu dem Fall zu verfassen.

Das Gericht gab diesem Antrag statt und vertagte die Verhandlung auf den 29. Januar 2025.

Hintergrund des Falles
Das ursprüngliche Verfahren gegen Demir wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ und „Terrorismuspropaganda“ wurde im Jahr 2017 wegen seiner Berichterstattung aus Syrien eingeleitet. Das Verfahren wurde im Dezember 2022 abgeschlossen und Demir wurde wegen „Terrorismuspropaganda“ zu 2 Jahren, 9 Monaten und 22 Tagen Haft verurteilt.
Während die Verteidigung gegen das Urteil Berufung einlegte, leitete die Generalstaatsanwaltschaft Ankara 2023 ein Ermittlungsverfahren gegen Demir wegen des Verdachts auf „Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Vereinigung PKK/KCK/YPG/YDG-H“ ein. Das Berufungsgericht hob das ursprüngliche Urteil mit der Begründung auf, dass es rechtlich notwendig sei, die Akte mit den Ermittlungen zusammenzulegen. Das Berufungsgericht entschied außerdem, dass Demirs Freiheitsstrafe wegen „Terrorismuspropaganda“ in Anwendung der „Bestimmungen über wiederholte Straftaten“ um die Hälfte erhöht werden sollte, und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das erstinstanzliche Gericht zurück.
Das Wiederaufnahmeverfahren begann mit der Zusammenlegung des ursprünglichen, vom Berufungsgericht aufgehobenen Verfahrens und der neuen Untersuchung.

Stand der Recherche: Januar 2025

Quellen:

www.taz.de

www.cpj.org

www.pressinarrest.com/gazeteciler/hayri-demir/

https://www.amnesty.org.tr/icerik/hayri-demir-davasi

Künstler: Gökhan Bozkus

Text: Rafaela Bodenstedt, Gerhard Keller