Irina Babloyan, *1986 Georgien , 2022 Giftanschlag in Georgien

Irina Babloyan ist eine Journalistin aus Georgien. Sie wurde 2022 Opfer eines Giftanschlags.

Irina Babloyan, *1986 Georgien , 2022 Giftanschlag in Georgien

Irina Babloyan studierte an der Staatlichen Pädagogischen Universität Moskau mit einem Abschluss in Lehramt für russische Sprache und Literatur. Bereits während ihres Studiums begann sie beim sehr populären und regierungsunabhängigem Radiosender ECHO MOSKAU zu arbeiten.

Im März 2022 wurde ECHO MOSKAU wegen der kritischen Berichterstattung zum russischen Überfall auf die Ukraine auf Anordnung der russischen Regierung geschlossen.

Daraufhin nutzte Babloyan zusammen mit anderen Mitarbeitern des geschlossenen Senders den YouTube-Kanal LIVING NAIL, wo sie weiterhin fast täglich live sendet.

Ihr Freund, der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin, wurde spätabends verhaftet, als sie gemeinsam unterwegs waren.

Weil er in einem YouTube-Livestream über die russischen Gräueltaten in Butscha berichtete, wurde er später zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt

Von diesem Moment an, so sagt sie, folgten ihr russische Polizisten und FSB-Agenten auf Schritt und Tritt.  Sie setzten sich offen vor ihr Haus und drohten ihr: „Es ist wahrscheinlich besser, wenn Sie gehen“.

Sie begann, die ersten Berichte über ukrainische Kinder zu untersuchen, die nach Russland verschleppt wurden.

Zunächst war ihr nur eine „Schule“ bekannt, in der ukrainische Kinder in Russland untergebracht waren, doch bald erfuhr sie von einem Journalistenkollegen von Dutzenden weiterer Einrichtungen, in denen Tausende von Kindern untergebracht worden waren. Sie war schockiert über diese Tatsachen und hatte das deprimierende Gefühl, nichts ändern zu können. Dabei brachte sie sich durch diese Recherchen noch mehr in Gefahr. So kehrte sie im Oktober 2022 in ihr Heimatland Georgien zurück und lebte zunächst in Tiflis im King Tamar Hotel.

Am 25. Oktober 2022 fühlte sich die 36-jährige Journalistin immer schlechter. Ihre Hände und Füße verfärbten sich lila, sie fühlte sich benommen und bekam Magenschmerzen. „Ich hatte das Gefühl, dass mein Körper nicht mehr mir gehörte“, sagte sie der investigativen kremlkritischen Internetzeitung THE INSIDER, die mit dem Recherchenetzwerk Bellingcat kooperiert. Babloyan beschrieb einen metallischen Geschmack im Mund und wie sie einen Hautausschlag bekam. Zunächst gab sie einer Allergie die Schuld, kaufte Antihistaminika, packte eine Tasche und machte sich auf eine vierstündige Taxifahrt nach Eriwan. Sie hatte geplant, von dort über Moldawien nach Berlin zu fliegen, um dort ihre journalistische Tätigkeit bei einem Radiosender fortzusetzen. Irina Babloyan verbrachte eine weitere schlaflose Nacht, bevor sie nach Deutschland flog. Am dritten Tag konnte sie endlich wieder richtig gehen, sprechen und essen. „Es war noch nicht alles weg, aber es war schon viel besser“, sagte sie.

Im Dezember suchte sie einen Arzt auf, der ihr Antidepressiva verschrieb und ihr mitteilte, dass Allergietests 6.000 Euro kosten würden, da sie nicht krankenversichert war. Für sie unbezahlbar. Bald darauf war sie gezwungen, ihre Radiosendung abzubrechen, da „etwas Seltsames mit meiner Haut passierte“. Es zeigten sich seltsam geformte brennende rote Flecken. Sie unterzog sich Tests auf alle bekannten Allergene, die aber negativ ausfielen. Schließlich wurde sie in der Berliner Charité untersucht. Dort war 2020 auch der inzwischen verstorbene russische Oppositionsführer Alexej Nawalny nach einem russischen Giftanschlag diagnostiziert und behandelt worden. Später wurde ihr jedoch mitgeteilt, dass ihre toxikologischen Tests „verloren“ gegangen seien,

Einer Untersuchung von THE INSIDER zufolge war Irina Babloyan einer exogenen Vergiftung durch eine unbekannte chemische Substanz ausgesetzt gewesen. Die Ähnlichkeit ihrer Symptome mit denen, die die Journalistin Elena Kostjutschenko beschrieb, lässt darauf schließen, dass in beiden Fällen das gleiche oder ein ähnliches Vergiftungsmittel eingesetzt worden war.

Obwohl die Journalistin immer noch Probleme mit ihrer Haut hat und Schmerzen in den Fingern verspürt, wenn sie eine Flasche oder sogar eine Tür öffnet, ist sie weiterhin fest entschlossen, über die Lage in Russland zu berichten.

„Die Arbeit ist wie eine Therapie für mich“, sagte sie der britischen Internetzeitung INDEPENDENT. „Ich kann nicht aufhören zu arbeiten“, und merkte an, „dass es für eine Journalistin bedeutet, dass sie genau das Richtige tut, wenn die Regierung sie töten will.

Auf die Frage, ob sie glaube, dass sie wegen ihrer Nachforschungen über russische Kriegsverbrechen zur Zielscheibe geworden sei, antwortete Irina Babloyan: „Ich denke einfach, dass alle russischen Journalisten und Aktivisten im Visier der russischen Regierung stehen.“ Für eine Weile, sagte Babloyan, sei sie nicht mehr in Restaurants gegangen aus Angst, dass sie wieder ins Visier genommen werden könnte. Jetzt gehe sie raus, nur um sich normal zu fühlen, wenn auch mit einem gewissen Maß an Vorsicht.

„Wenn ich das nicht mache, werde ich verrückt“, sagte sie.

Der Text unter dem Portrait stammt von einem ihrer Protestplakate: „Sie selbst sind ausländische Agenten“

Quellen: theins.ru, CPJ.org, voanews, TAZ.de, Meduza.io, Deutschlandfunk.de, Frankfurter Rundschau, wikipedia

Künstler: Patrick MacAllister