Jamshid Sharmahd,* 1955 Iran, 2020 in Dubai entführt und 2024 im Iran hingerichtet
Jamshid Sharmahd ist ein deutsch-iranischer Journalist und Softwareentwickler. Der iranischer Dissident und Regimekritiker ist bekannt als Schöpfer des universellen Code-Editors „Unipad“.
In Teheran geboren zog seine Familie nach Hannover/Deutschland, als er sieben Jahre alt war. Er wuchs in einem deutsch-iranischen Haushalt auf. Seit 1995 ist er deutscher Staatsbürger. Er machte eine Ausbildung zum Elektriker und kehrte 1980 kurzzeitig in den Iran zurück und heiratete. Im Jahr 1982 kehrte er mit seiner Frau und seiner Tochter Gazelle Sharmahd nach Deutschland zurück. Er gründete eine eigene Softwarefirma und zog 2003 in die Vereinigten Staaten nach Glendora, Kalifornien.
„Dort trifft Sharmahd auf die Dissidentengruppe „Kingdom Assembly of Iran“, deren militärischer Arm den Namen „Tondar“ (Donner) trägt. Auf ihrer Website, die nur noch über das Internetarchiv verfügbar ist, beschreibt sie sich als Gruppe von „Patrioten, die gegen das islamische Regime im Iran gekämpft haben“. Sie möchte die „Islamische Republik“ stürzen und die iranische Monarchie aus den Jahren vor 1979 wiederherzustellen. Man trete ein für eine säkulare Regierung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Achtung der Rechte verschiedener Ethnien und Religionen sowie Meinungsfreiheit in der iranischen Gesellschaft, sagt die Gruppe über sich selbst. Das iranische Regime unterstellt ihr Terroranschläge, sie steht jedoch nicht auf der Liste von Terrororganisationen in den USA.“ schreibt die TAZ im März 2022.
„Jamshid Sharmahd identifizierte sich mit den Zielen der politischen Gruppe und begann 2004 als Admin ihrer Webseite zu arbeiten. Später lieferte er Material für den oppositionellen Radio- und Fernsehsender von „Tondar“. Als die Webseite 2007 durch Cyperattacken angegriffen und sein Name veröffentlicht wurde, machte Sharmahd unter Klarnamen als Sprecher der Gruppe weiter.
Daraufhin erklärte der Iran ihn zum Staatsfeind. Im Juli 2009 ging ein Geheimagent des „Islamischen Staates“ in Los Angeles zur Polizei – er gestand, dass er vom Regime angeheuert wurde, um Sharmahd zu töten.
Mit der Corona-Pandemie gingen Sharmands Softwarefirma die Aufträge aus. Trotz der drohenden Gefahr aus dem Iran reiste er nach Dubai, um von dort weiter nach Indien zu fliegen – in der Hoffnung, dort einen Auftrag zu generieren. Am 29. Juli 2020 checkte er aus dem Hotel in Dubai aus. Der iranische Geheimdienst nutzte die Chance und entführte ihn, wohl über den Oman.
Zwei Tage später gab der Iran bekannt, er habe Scharmahd in einer „komplexen Operation“ gefangen genommen. Das Geheimdienstministerium veröffentlichte ein Foto, das ihn mit verbundenen Augen zeigt. Sein Sohn ist überzeugt, dass Scharmahd in den Aufnahmen des Staatsfernsehens eilig vorgelesen habe, was der Iran von ihm hören wollte.
Der Iran warf dem 65-jährigen Sharmahd vor, einen Anschlag auf eine Moschee in Shiraz 2008 geplant zu haben, bei dem 14 Menschen getötet und über 200 weitere verletzt wurden. „Dieser Anschlag wurde von iranischen Behörden zunächst als „Unfall“ deklariert, verursacht durch aus dem Iran-Irak-Krieg übrig gebliebene Munition. Später gaben die iranischen Behörden bekannt, dass der Angriff ein Terrorakt gewesen sei. Sie machten die monarchistische Oppositionsgruppe „Tondar“ verantwortlich und bestraften zwei junge Männer dafür mit dem Tod. So berichtete die TAZ.
Auch warfen die Behörden dem Journalisten vor, mit der im Iran verbotenen Gruppe Tondar weitere Anschläge geplant zu haben.
Nach Aussagen der Familie war Sharmahd nur Sprecher der Gruppe und habe nichts mit irgendwelchen Angriffen im Iran zu tun. „Mein Vater ist ein politischer Dissident mit einer kritischen Meinung, und die islamische Regierung versucht, ihn ruhigzustellen“, so seine Tochter. Er befinde sich in Einzelhaft und habe keinen Zugang zu einem unabhängigen Anwalt. Sein Wahlverteidiger Aghasi hatte bereits fünf Mal angefragt, ihn zu vertreten. Trotzdem war ihm nur ein Pflichtverteidiger gewährt worden. Das verstoße gegen das Gesetz, sagte Aghasi der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte.
Im staatlichen Fernsehen wurde ein Interview mit Sharmahd ausgestrahlt, das vielen anderen mutmaßlich erzwungenen Geständnissen ähnelt, die die iranische Regierung im letzten Jahrzehnt ausgestrahlt hat.
Sharmahds Familie erklärte, sie habe sich an die deutsche Regierung gewandt, deren Staatsbürgerschaft er besitzt, sowie an die US-Regierung, da er seit Jahren in Amerika lebt und nach dem Attentatsplan von 2009 auf dem Weg zur Staatsbürgerschaft war. Die deutsche Botschaft in Teheran bat hat nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin die iranischen Behörden um konsularischen Zugang. Der Iran gewährt seinen Doppelstaatlern jedoch keinen konsularischen Zugang, da er sie ausschließlich als iranische Staatsbürger betrachtet.
„Vieles deutet darauf hin, dass das Todesurteil gegen Sharmahd, der ohne eigenen Verteidiger vor dem Revolutionsgericht steht, bereits beschlossen ist. Sollte dies geschehen, wird dieser Tag nicht nur als Tragödie für alle Kritiker eines diktatorischen Regimes in die Geschichte eingehen, es wird darüber hinaus auch ein schwarzer Tag für Presse und Meinungsfreiheit weltweit sein“, so die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM).
„Der angeklagte Journalist Jamshid Sharmahd ist bereits öffentlich vorverurteilt, es gibt für ihn keinerlei Rechtsstaatlichkeit. Die iranischen Ankläger und das Revolutionsgericht nutzen jeden der bisher fünf Verhandlungstage, um mit Hilfe regimetreuer Medien, die aus dem Gerichtssaal berichten, Stimmung gegen den Angeklagten zu machen. Dagegen durfte an keinem Prozesstag gegen den deutschen Staatsbürger ein Beobachter der deutschen Botschaft teilnehmen. Die iranische Seite schiebt die Verantwortung dafür den deutschen Diplomaten zu, die es bisher versäumt hätten, entsprechende Anträge beim iranischen Außenministerium zu stellen“, kritisiert Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM.
Sharmahds Sohn sagte, sein Vater leide an der Parkinson-Krankheit sowie an Diabetes und Herzproblemen, die Medikamente und eine sorgfältige Überwachung erfordern.“Er ist sehr gefährdet“, sagte er. „Wir sind alle sehr besorgt.“
Gazelle Sharmahd, die Tochter des Angeklagten erklärt:
„Jeden Bürger, dem Menschenrechte am Herzen liegen, sollte es zutiefst entsetzen, dass ein Regime internationale Gesetze bricht, um Journalisten aus dem Ausland zu entführen, sie zu foltern, und diese durch Propaganda und schamlose Lügen in einem mittelalterlichen Schauprozess durch Staatsmord zum Schweigen zu bringen.
Mein Vater hat seit zwei Jahren keinen Kontakt zur Außenwelt, er hat 40 Pfund an Gewicht verloren, ihm sind fast alle Zähne ausgefallen und er kann kaum noch richtig gehen. Kein Mensch verdient es, als Druckmittel in einem politischen Spiel benutzt zu werden. Es gilt im Iran unter dem Propagandaapparat des Regimes kein Gesetz, kein Recht und keine Wahrheit. Das Regime versucht seit 43 Jahren, Aktivisten zum Schweigen zu bringen und durch falsche Anschuldigungen als Kriminelle darzustellen.
Eine kritische Stimme ist der größte Dorn im Auge der Machthaber. Nicht viele sind bereit ihr Leben zu riskieren, um die massiven Menschenrechtsverletzungen des Islamistischen Regimes publik zu machen. Mein Vater wird nun dafür bestraft, weil er sein Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit seit Jahren dafür benutzt hat. Ich bitte alle freiheitsliebenden Menschen darum, sich uns anzuschließen und gemeinsam gegen die Verfolgung und Terrorisierung politischer Aktivisten, gegen internationale Entführung, gegen brutale Scheinprozesse, gegen Geiseldiplomatie und vor allem gegen die Todesstrafe zu stehen. Mein Vater soll sterben! Wenn wir heute nicht dagegen kämpfen, verlieren wir ihn für immer!“
Am 28.Oktober 2024 wurde Jamshid Sharmahd im Iran hingerichtet.
Quelle: IGFM, Wikipedia, www.timesofisrael.com, taz.de/Justiz-im-Iran/!5834076, Tagesspiegel
Künstlerin: Maria von Stülpnagel
Sie müssen angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.