Meskerem Abera, * Äthiopien, 2022 für 25 Tage in Haft

Meskerem Abera, * Äthiopien, 2022 für 25 Tage in Haft

Die äthiopische Journalistin Meskerem Abera leitete den Medienkanal ETHIO NEKAT MEDIA auf YouTube, der unabhängig über aktuelle Nachrichten aus Amhara, einer Kriegsregion im Norden Äthiopiens, berichtete. Zudem unterrichtete sie als Universitäts-Dozentin und arbeitete als politische Kommentatorin.

Am 21. Mai 2022 wurde sie auf dem Flughafen von Bole in Addis Abeba auf dem Rückweg von der nördlichen Stadt Bahir in Amhara wegen des Verdachts der „Aufwiegelung zu Unruhen und der Schaffung von Mistrauen zwischen der Amhara-Region und der äthiopischen Zentralregierung“ festgenommen. In einer Berichterstattung über den Bundestaat Amhara hatte sie einen äthiopischen Militärgeneral aufgefordert, sich angesichts der „drohenden Niederschlagung“  auf die Seite der Fano-Miliz und des Volkes zu stellen, sowie über die Notwendigkeit der Fano-Miliz gesprochen. Die Polizei beantragte 14 Tage Untersuchungshaft, um ihre mutmaßlichen Komplizen ausfindig zu machen. Meskerems Verteidiger bestritten die angebliche Straftat und beantragten vor Gericht eine Kaution, die abgelehnt wurde.  Am 15. Juni 2022 wurde sie nach 25 Tagen Untersuchungshaft gegen Zahlung einer Kaution freigelassen.

Am Tag vor ihrer Festnahme hatte die äthiopische Regierung eine Erklärung abgegeben, in der sie ankündigte, gegen „illegale Aktivitäten, die die Öffentlichkeit beunruhigen vorzugehen, sowie gegen diejenigen, die unter dem Deckmantel des Journalismus und der Medienarbeit Gewalt und Unruhe in der Öffentlichkeit stiften wollen.“ Schon am Tag zuvor gab es eine Welle von Verhaftungen von Journalisten, Aktivisten, Politikern und Andersdenkenden, die kritisch über die Steuerpolitik der Regierung, die Auswirkungen des Krieges in Nordäthiopien und den zunehmend autoritären Ansatz der äthiopischen Regierung im Umgang mit Dissidenten berichteten. 

Seit dem 4. November 2020 findet im Norden Äthiopiens ein militärisch ausgetragener Bürgerkrieg in den Staaten Tigray, Amhara und Afar statt. Der Bürgerkrieg besteht zwischen der Zentralregierung Äthiopiens und der von ihr abgesetzten Regionalregierung TPLF in Tigray, eine Region im Norden Äthiopiens. Die TPLF (Volksbefreiungsfront von Tigray) kämpft gegen die Äthiopischen Streitkräfte sowie gegen Milizen aus der Nachbarregion Amhara und Streitkräften Eritreas. Der Konflikt des Krieges begann, als der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed aufgrund der COVID-19-Pandemie die landesweite Parlamentswahl sowie die Regionalwahlen absagte. Tigray war damit nicht einverstanden und führte die Wahlen trotz des Verbotes durch. Bei diesen Wahlen gewann die TPLF fast alle Sitze. Sie warf Premierminister Ahmed vor, ein zentralistisches Regime in Äthiopien einrichten zu wollen. Nachdem mehrere Armeebasen in Tigray durch Milizen der TPLF übernommen wurden, eskalierte der Konflikt und Ahmed entsandte Truppen zur Verteidigung der angegriffenen Basen und zur Inhaftierung der führenden TPLF-Mitglieder. Tage später erklärte er die Regionalregierung von Tigray für aufgelöst. Eine internationale, friedliche Vermittlung zwischen den Parteien wurde von Ahmed abgelehnt. Alle Seiten haben seitdem Kriegsverbrechen verübt. Im November 2020 führte eine tigrayische Jugendorganisation in Zusammenarbeit mit örtlichen Milizen ein Massaker an hunderten ethnischen Amharas durch. Auch Angehörige der äthiopischen Armee, Soldaten aus Eritrea, die sich mit der äthiopischen Zentralregierung gegen die TPLF verbündet hatten und Angehörige der paramilitärischen Spezialpolizei aus der Region Amhara, sowie die amharische Miliz Fano haben in Tigray Frauen vergewaltigt, sexuell versklavt und an ihnen Genitalverstümmelung betrieben. Den Bauern in Tigray wurde die Agrarinfrastruktur auf Anweisung der Zentralregierung Äthiopiens zerstört und die Aussaat von Saatgut verboten. Dadurch drohte 2021 eine Hungersnot in Tigray. Durch Hilfsgüter wurde im Sommer 2021 das Schlimmste verhindert, jedoch blockierten Soldaten der äthiopischen Regierung den Transport vieler Hilfsgüter. Das forderte die TPLF auf, sich bis weit ins Zentrum des Landes vorzudrängen. Mit einer Gegenoffensive gelang es der äthiopischen Armee und ihren Verbündeten, die TPLF Ende Dezember 2021 zurückzudrängen. Im März 2022 rief die Zentralregierung Äthiopiens einen „unbefristeten humanitären Waffenstillstand“ aus. Die TPLF kündigte an, ihn zu respektieren. Der Zugang ist seitdem für Menschenrechtsorganisationen und Journalisten schwierig, doch immer wieder dringen Berichte über Verbrechen aller Kriegsparteien an der Zivilbevölkerung nach draußen. Der äthiopischen Zentralregierung wurde wiederholt vorgeworfen, Hilfslieferungen nach Tigray zu blockieren.

(Stand: Juli 2022)

Quelle:  CFWIJ, CPJ, Deutsche Welle, Amnesty International, UNO, nzz, https://borkena.com/2022/06/15/federal-supreme-court-released-meskerem-abera-on-bail/

Künstlerin: Christine Krahé