Natalia Arno, *1976 Sowjetunion,  2023 Giftanschlag in der Tschechischen Republik

Natalia Arno ist eine russische Journalistin. Sie wurde 2022 Opfer eines Giftanschlags in der Tschechischen Republik.

Natalia Arno, *1976 Sowjetunion,  2023 Giftanschlag in der Tschechischen Republik

Natalia Arno studierte in Ulan-Ude (Sibirien) Linguistik. Danach arbeitete sie dort als Professorin für Englisch. Im Jahr 1999 zog sie nach Moskau, um ein Aufbaustudium für russische Sprache zu absolvieren. Von 2000 bis 2003 arbeitete sie als Professorin für Linguistik an der „Modern Humanitarian University“ in Moskau.

2004 trat Frau Arno dem „International Republican Institute“(IRI) bei. Das „International Republican Institute“ ist eine US-amerikanische Non-Profit-Organisation, die von der US-Bundesregierung finanziert wird Die meisten Vorstandsmitglieder kommen aus der Republikanischen Partei. IRI hat nach eigenen Angaben zum Ziel, Freiheit und Demokratie weltweit zu fördern. Natalia Arno leitete die Russlandprogramme des IRI  in den Bereichen Staatsbürgerliche Bildung und Entwicklung der Zivilgesellschaft.

Im Rahmen dieser Arbeit lernte sie u. a. die Oppositionellen Boris Nemzow und Alexej Nawalny kennen. In einem Interview mit ZEIT-Online beschrieb Natalia Arno ihre permanente Überwachung durch den russischen Geheimdienst. Ein Geheimdienst-Mitarbeiter sagte ihr, sie wüssten sogar, welche Farbe ihre Unterwäsche habe. Sie wurde auch bedroht. 2012 stellten ihr Geheimdienstmitarbeiter ein Ultimatum: Sie solle ihr Heimatland innerhalb von 48 Stunden verlassen oder sie müsse für 20 Jahre ins Gefängnis gehen.

Natalia Arno ging ins Exil in die USA. Im Jahr 2014 gründete sie die „Free Russia Foundation“. Ihre Organisation kämpft für ein demokratisches Russland und unterstützt aktuell ukrainische Kriegsgefangene.

2019 verbot Wladimir Putin die „Free Russia Foundation“. Heute ist Natalia Arnos „Free Russia Foundation“ eine starke globale Bewegung mit Zentren in den USA und Vertretungen in zahlreichen europäischen Ländern. Seit einigen Jahren schreibt Natalia Arno als Gast-Autorin für das Online-Forum JUST SECURITY (New York).

JUST SECURITY ist am „Reiss Center on Law and Security“ an der „New York University School of Law“ angesiedelt, eine private Forschungsuniversität, die sich mit Demokratie, Sicherheits- und Außenpolitik beschäftigt.

2023 nahm Natalia Arno an verschiedenen Menschenrechtskonferenzen in Europa teil. Am 2. Mai 2023 hatte sie den ganzen Tag in Prag auf einer Konferenz verbracht. Als sie am Abend in ihr Hotel zurückkehrte, stand die Tür zu ihrem Zimmer leicht offen. Den Gedanken, wer da vielleicht auf sie warten könne, tat sie als Paranoia ab. Sie beschloss, hineinzugehen. Es war niemand da. Sie überprüfte ihren Koffer und die Kleider auf den Bügeln: Nichts. Keine Anzeichen eines Diebstahls, keine versteckten Mikrofone. Nur ein süßlicher Geruch, wie ein billiges Parfüm.

Ein starker Schmerz in ihrem Kiefer weckte sie im Morgengrauen auf. Sie spürte auch eine Art Taubheit in den Gliedmaßen. Ihre Sicht war verschwommen. Sie schob es auf die heftigen Zahnschmerzen. Die Aktivistin änderte ihre Reisepläne und flog in die Vereinigten Staaten zurück. Trotz ihrer Erfahrungen mit dem russischen Repressionsapparat glaubte sie zunächst nicht, dass sie Opfer eines Vergiftungsversuchs geworden sein könnte. An Bord ihres Flugzeugs verstärkten sich allerdings die Symptome. Die Schmerzen breiteten sich von einem Ende ihres Körpers zum anderen aus: Augen, Ohren, Brust, Arme, Bauch. Nach ihrer Ankunft in den USA wurde Arno sie in eine Intensivstation eingewiesen. Ärzte diagnostizierten eine Polyneuropathie, die keine natürliche Ursache haben könne, es sei sehr schwer, diese zu behandeln. US-Behörden ermittelten wegen einer nachgewiesenen Vergiftung mit einem nicht näher spezifizierten Nervengift.

Der Giftanschlag auf Natalia Arno trägt ähnliche Züge wie die Giftanschläge auf zwei weitere oppositionelle russische Journalistinnen: Elena Kostyuchenko und Irina Babloyan.

Nach Medienberichten seien bei allen drei Frauen in einem engen Zeitraum von nur wenigen Monaten ähnliche Gesundheitsprobleme aufgetreten. Kostyuchenko, die als Journalistin für die Zeitungen NOVAYA GAZETA und MEDUZA arbeitet, erkrankte im Oktober 2022 in München, Babloyan – ehemals Journalistin beim kurz nach Kriegsbeginn eingestellten russischen Radiosender ECHO MOSKWY – eine Woche später in Tiflis / Georgien.

Das russische Online-Medium MEDUZA berichtete über die Giftanschläge und sprach darüber mit dem Experten Dr. Blum von der OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen). Dieser sieht in den genannten Fällen ein neues Muster:

„Während Nervengift wie VX und Novichok sicher verwendet werden, um zu töten, scheint es bei den neuen Fällen so zu sein, dass die Verwendung der Substanzen nicht unbedingt lebensbedrohlich ist, sondern die Gesundheit der Geschädigten massiv beeinträchtigt“, so Dr. Blum, Spezialist für chemische und biologische Kampfstoffe.

In einem Interview im Oktober 2023, fünf Monate nach der mutmaßlichen Vergiftung, berichtete Arno, dass ihre rechte Seite immer noch taub sei, wenn sie für lange Zeit stehen würde.

In einem Interview mit ZEIT-ONLINE  sagte Natalia Arno im März 2024:

„Man will den Leuten Angst machen, auch den Leuten im Exil. Uns zeigen, dass sie uns in jedem westlichen Land finden können, in jedem EU- oder NATO-Land, dass wir uns nirgendwo sicher fühlen können. Mich zu vergiften bedeutet aber, dass ich etwas richtig gemacht habe. Etwas, was den Kreml sehr irritiert, etwas sehr Effektives.“

Quellen: Frankfurter Rundschau, Zeit.de, wilsoncenter.org,  justsecurity.org, 4freerussia.org, leMonde.fr, tagesspiegel.de, japantimes.co.jp

Künstlerin: Ernestine Kuger-Hoberg