Nnamdi Okwu Kanu, *1967 in der Republik Biafra, 2021 in Nigeria zum 2. Mal verhaftet

Mazi Nnamdi Kanu ist ein Radiojournalist aus Nigeria. Er wurde mehrmals, zuletzt 2021 verhaftet

Nnamdi Okwu Kanu, *1967 in der Republik Biafra, 2021 in Nigeria zum 2. Mal verhaftet 

Nnamdi Okwu Kanu wurde zu Beginn des Biafra-Krieges als Bürger der nur kurz existierenden Republik Biafra geboren. Als Direktor eines britischen Radiosenders setzte er sich für einen eigenen Staat Biafra ein und sitzt zur Zeit in Nigeria im Gefängnis.

Die Republik Biafra war ein Staat, der 1967 unter Federführung der Volksgruppe der Igbo die Unabhängigkeit von Nigeria erklärte. Vorausgegangen war ein Militärputsch mit darauffolgenden Pogromen gegen die Ethnie der Igbo. Der Staat umfasste den südöstlichen Teil Nigerias einschließlich großer Erdölvorkommen im Nigerdelta. Im Zuge des „Biafra-Krieges“ von 1967 bis 1970 wurde Biafra wieder in Nigeria eingegliedert. (Die damals verhängte Hungerblockade prägte das Bild des „Biafra-Kindes“ als Symbol für Unterernährung.) 

Kanus Eltern waren traditionelle nigerianische Monarchen. Ihr Sohn studierte und zog vor seinem Abschluss nach Großbritannien und graduierte in den USA.

Der Exil-Sender RADIO BIAFRA wurde schon 1967 von der untergegangenen biafrikanischen Regierung gegründet. Kanu übernahm den Sender 2009 als Direktor und forderte weiterhin einen unabhängigen Staat für das Volk der Igbo. Gesendet wurde von London aus nach Nigeria.

2014 gründete er die Separatistenbewegung „Indigenious People of Biafra (IPOB)“. Ziel war auch hier, den eigenständigen Staat Biafra wieder zu etablieren.

Nnamdi Kanu wurde erstmals am 14. Oktober 2015 für zwei Jahre ohne Gerichtsverfahren festgenommen.  Nachdem er auf Kaution freigelassen worden war, floh er Ende 2017 aus Nigeria. Nach seinen eigenen Aussagen wurde er vom Militär zur Ausreise gezwungen.

In einem Interview 2017 forderte Kanu von einer Gruppe in den USA ansässiger Nigerianer Kugeln und Gewehre zur Selbstverteidigung gegen die wiederholten Angriffe auf Igbo-Bauern in Biafra-Land durch „bewaffnete Banditen“, die „Fulani-Hirten“, eine arabischstämmige nomadisch lebende Ethnie aus dem Norden. Fakt  ist, daß innerhalb von 25 Jahren (seit 1999) in Nigeria durch die Gewalt zwischen Bauern und Hirten mehr als 19 000 Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben wurden.  Diese Konflikte sind auf die Ausweitung der landwirtschaftlichen Bevölkerung und der Anbauflächen auf Kosten der Weideflächen der Nomaden zurückzuführen, aber auch auf die Verschlechterung der Umweltbedingungen, die Wüstenbildung und die Bodendegradation. Das Bevölkerungswachstum spielt dabei eine Rolle sowie der Zusammenbruch der traditionellen Mechanismen zur  Konfliktlösungs bei Land- und Wasserstreitigkeiten.  Die Verbreitung von preiswerten Kleinwaffen und damit einhergehender Kriminalität in ländlichen Gebieten ist eine Folge, denn die Unsicherheit und Gewalt hat viele Bevölkerungsgruppen dazu veranlasst, Selbstverteidigungskräfte sowie ethnische und Stammesmilizen zu bilden, die Gewalt ausüben. Die meisten Zusammenstöße zwischen Bauern und Hirten fanden zwischen muslimischen Fulani-Hirten und in diesem Falle meist christlichen Bauern statt, was die Feindseligkeiten zusätzlich verschärft. (Siehe hierzu: https://de.wikipedia.org/wiki/Hirten-Bauern-Konflikt_in_Nigeria).

Drei Jahre später, im Januar 2021 hatte sich die Lage so zugespitzt, daß Kanus Seperatistengruppe IPOB bewaffnete Gruppen (ESN) organisiert hatte, die den biafrischen Bauern gegen die Begehrlichkeiten der ebenfalls bewaffneten Fulani-Hirten zur Seite standen. Das nigerianische Militär versuchte die selbstorganisierte paramilitärische Schutztruppe zu vertreiben, die sich auf Kanus Aufforderung hin zurückzog. Die nigerianische Regierung wollte diesen Zustand nicht dulden und stufte IPOB als terroristische Organisation ein. Als ein paar Wochen später die Regierung das Militär und die Luftwaffe gegen die paramilitärische ESN eingesetzte, rief die IPOB den „Kriegszustand zwischen Nigeria und Biafra“ aus.

Am 27. Juni 2021 wurde Kanu in Kenia erneut verhaftet, nach Nigeria verschleppt und wegen Hochverrats in Nigeria angeklagt.

Die Verhaftung Kanus löste unter biafranischen Separatisten und anderen Nigerianern, die seine Sache unterstützen, Wut aus. Der Prozess gegen Kanu begann im Oktober 2021. Ihm wurde „Terrorismus, Hochverrat, Beteiligung an einer verbotenen separatistischen Bewegung, Anstiftung zu öffentlicher Gewalt sowie Diffamierung nigerianischer Behörden durch Radiosendungen“ vorgeworfen. Er plädierte in allen Fällen auf „nicht schuldig“. Das Verfahren wurde von Protesten und Generalstreiks begleitet.

Das Gericht ließ die Anklagen u. a. mit der Begründung fallen, dass Kanu illegal von Kenia an Nigeria ausgeliefert worden sei. Die Richter hoben zudem alle sieben Anklagepunkte wegen Terrorismus auf, die eine untere Instanz gegen Kanu vorgebracht hatte. Die Regierung sollte ihm eine Entschädigung für die Verletzung seiner Menschenrechte zahlen. Kanu blieb trotzdem in Haft. Neue Anklagepunkte kamen hinzu, die Anklage wegen Terrorismus wurde wiederaufgenommen.

Ein Gesuch Kanus auf Entlassung gegen Kaution oder Überstellung in Hausarrest wurde im Mai 2024 durch das Gericht abgelehnt.

Kanu ist eine umstrittene Persönlichkeit, vor allem was sein Verhältnis zu Gewalt betrifft.

„Ich hoffe, dass das, was wir anstreben, friedlich erreicht werden kann. Ich bin ein Verfechter des passiven Widerstands. Gandhi und Martin Luther King haben es mit sehr gutem Erfolg versucht, warum sollte es also in unserem Fall nicht funktionieren?“ sagte er mit Bezug auf die Wiederherstellung des Staates Biafras. Andererseits hat er sich seit Beginn seines Engagements auch schon äußerst gewaltbereit geäußert und  mehrmals Todesdrohungen gegen seine Gegner ausgesprochen und dazu aufgerufen.

Quellen: Wikipedia, Deutsche Welle.com, vanguardngr.com

Künstler: Udo Reckmann