Ruhollah Zam, * 1978 Iran, entführt und hingerichtet 2020

Ruhollah Zam, * 1978 Iran, entführt und hingerichtet 2020

Ruhollah Zam (Ruhollah Sam) war ein iranischer Journalist, Blogger und Regimegegner. Der zuletzt in Frankreich lebende Zam wurde 2019 in den Irak gelockt und von dort durch iranische Sicherheitskräfte in den Iran entführt. Dort wurde er im Juni 2020 zum Tode verurteilt und im Dezember hingerichtet.

Ruhollah Zam war Sohn des reformorientierten iranischen Geistlichen Mohammad Ali Zam, der in den frühen 1980er Jahren Mitarbeiter der Regierung der neugegründeten Islamischen Republik war.

Nach der umstrittenen Wiederwahl des damaligen iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadineschad 2009 erhob Zam Vorwürfe der Wahlfälschung und wurde inhaftiert. Danach floh er über Malaysia nach Frankreich, wo er politisches Asyl erhielt. Er lebte dort mit Frau und Kindern und stand unter Polizeischutz.

Im Exil verbreitete er über seine Website AMADNEWS und den Onlinedienst Telegram an die iranische Öffentlichkeit gerichtete Informationen und Aufrufe zu Protest und zivilem Ungehorsam. Unter anderem half er bei der Planung von Protestaktionen im Iran. Er stellte Videos online, in denen Demonstranten regierungsfeindliche Parolen skandierten, darunter auch solche, die direkt gegen den „Obersten Führer“ Ali Chamenei und Staatspräsident Hassan Rohani gerichtet waren. Er äußerte auch Kritik an anderen Regimekritikern, deren Haltung er als zu nachgiebig empfand.

Im Juli 2017 veröffentlichten iranische Medien einen Brief von Zams Vater an seinen Sohn, in dem der Vater den Sohn öffentlich verurteilte.

Im Dezember 2017 sperrte Telegram Zams Kanal, nachdem iranische Behörden ihn beschuldigt hatten, dort zu Gewalttaten aufzurufen. Zam bestritt dies. Telegram ist von besonderer Bedeutung im Iran; nach Angaben der Nachrichtenagentur ASSOCIATED PRESS von Ende 2017 benutzen schätzungsweise 40 Millionen der 80 Millionen Bürger des Iran diesen Dienst. Dabei spielt der von Telegram ermöglichte Schutz der Privatsphäre eine große Rolle.

Im Oktober 2019 reiste Ruhollah Zam in den Irak, wohin er von iranischen Sicherheitskräften gelockt worden war. Dort wurde er von iranischen Revolutionsgarden festgenommen und in den Iran verschleppt. Die genauen Umstände seiner Ergreifung sind nicht bekannt. Ein Journalist des persisch sprachigen Dienstes der BBC schrieb nach seiner Hinrichtung, Zam sei mit dem Versprechen in den Irak gelockt worden, dort den einflussreichen iranischen Ayatollah Ali as-Sistani treffen zu können, um dessen Unterstützung zu erlangen.

Zams Fall wurde von den iranischen Machthabern stark vereinnahmt. Nach seiner Verschleppung in den Iran benutzten die Revolutionsgarden Zams eigenen Telegram-Kanal, um dort seine Verhaftung bekanntzugeben. Er musste im Fernsehen ein Geständnis ablegen. Ebenfalls im iranischen Fernsehen wurden Beiträge ausgestrahlt, in denen Zams angebliches Netz von Kontakten und die Geheimdienstoperation, mit der er in den Irak gelockt und dort von den Garden gefasst worden war, dargestellt wurden. So sei es dabei auch gelungen, ausländische Geheimdienste zu täuschen.

Im Juni 2020 wurde Zam wegen seiner Rolle bei den Protesten der iranischen Opposition 2017/2018 zum Tode verurteilt. Unter anderem wurden ihm „Verbrechen gegen die innere und äußere Sicherheit“ und Spionage für den französischen Geheimdienst vorgeworfen, ebenso „Beleidigung des Islam“.

Nachdem der iranische oberste Gerichtshof das Urteil bestätigt hatte, wurde Ruhollah Zam vier Tage später am 12. Dezember 2020 in Teheran durch Erhängen hingerichtet.

International führte das zu scharfen Protesten. Die Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland zeigte sich „zutiefst entsetzt über die Hinrichtung“, forderte diplomatische und wirtschaftliche Konsequenzen für den Iran und schlug die Umbenennung des Straßenabschnittes der „Podbielskiallee“ in Berlin-Dahlem, in dem sich die Iranische Botschaft befindet, in „Ruhollah-Zam-Allee“ vor. Ruhollah Zams Vater Mohammad Ali Zam machte seine Trauer über sein Konto auf Instagram öffentlich (einem der wenigen im Iran zugänglichen Onlinedienste) und bezeichnete seinen Sohn als „Gefährten bis zum Schluss“. Am 12. Dezember verurteilte er auf Instagram die „kriminelle Republik“, die seinen Sohn getötet hatte. Der im amerikanischen Exil lebende iranische Publizist Arash Azizi wies darauf hin, dass dies für einen langjährigen, hochrangigen Vertreter der islamischen Republik bemerkenswert sei. Dies stehe im Kontrast zu zahlreichen anderen Vertretern des Staates, die seit der islamischen Revolution nicht öffentlich über ihre vom iranischen Staat umgebrachten Kinder getrauert hätten. Darunter seien Prominente wie Ajatollah Ahmad Dschannati, Gholamreza Hassani und Mohammad Mohammadi Gilani, der als Richter zwei seiner eigenen Söhne zum Tode verurteilt hatte.

Verfilmung

Zams Schicksal wurde in Schweden als Dokumentarfilm mit dem Titel „Der Sohn des Mullahs“ der Regisseurin Nahid Persson Sarvestani nacherzählt. Dazu heißt es in der Filmkritik des „Filmdienst“: “ Der Dokumentarfilm verbindet Interviews, teilnehmende Beobachtungen und reportagehafte Elemente zu einem tragisch-spannenden Porträt, das durch Entführung und Hinrichtung fast thrillerhafte Qualitäten annimmt. – Ab 14.“

In der Filmkritik schreibt Christian Horn: https://www.filmdienst.de/film/details/622732/der-sohn-des-mullahs#filmkritik

„Der Sohn des Mullahs“ ist in doppelter Hinsicht ein sehr persönlicher Dokumentarfilm. Einmal ist er es für die iranisch-stämmige Regisseurin Nahid Persson Sarvestani, die seit der 1979er-Revolution als Exilantin in Schweden lebt. Seit gut zwanzig Jahren übt Persson Sarvestani in Filmen wie „Prostitution hinter dem Schleier“ (2006) offen Kritik an der Islamischen Republik, was ihr im Zuge einer Reise in den Iran einen mehrmonatigen Hausarrest einbrachte. Dass auch „Der Sohn des Mullahs“ ein politisches Motiv hat, offenbart schon die Widmung an „alle Iraner, die ihr Leben im Kampf gegen das Regime riskieren“. Zudem kommentiert Persson Sarvestani den Film und dessen Entstehung aus dem Off und ist bei Recherchen am Laptop auch selbst im Bild zu sehen.

Ein persönliches Anliegen war der Film auch für den Protagonisten Roohollah Zam (1978-2020). Als Sohn eines hochrangigen Mullahs wuchs Zam als Teil der iranischen Elite auf, stand aber in wachsender Opposition zur politischen Führung. 2009 ging er gegen die klerikalen Machthaber auf die Straße und saß dafür zweieinhalb Monate im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran, wohin auch seine Lebensgefährtin Mahsa verbracht wurde. Auf Geheiß des Vaters kam er wieder frei. Das Paar verließ daraufhin den Iran Richtung Frankreich.

Mit seiner Online-Plattform AHMADNEWS („Stimme des Volkes“) prägte Zam die iranische Protestbewegung von 2017 mit und klagte Korruption, Doppelmoral und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. Ein Clou von AHMADNEWS war die Aufdeckung eines Geldwäscheskandals, der im Iran hohe Wellen schlug. Dass Zam damit auf der Abschussliste der Mullahs landete, versteht sich von selbst.

Persson Sarvestani und Zam sind vom gleichen kritischen Geist und dem Mut zu offener Kritik an den Mullahs beseelt. Daher wundert es nicht, dass sich beide für einen Dokumentarfilm zusammengetan haben. 2019 besuchte Persson Sarvestani den versteckt in Frankreich lebenden Protagonisten. Die dabei entstandenen Filmaufnahmen verdichtet sie zu einem teilnehmenden Blick auf die lebensgefährliche Oppositionsarbeit. In Interviews legt Zam seine Sichtweise dar. Immer wieder sieht man ihn bei Telefonaten mit Oppositionellen und Whistleblowern, die nicht gezeigt werden wollen. Dazwischen skizzieren Nachrichtenmitschnitte oder Videos von Demonstrationen die Lage im Iran. Ein zentrales Thema ist die begründete Paranoia, vor der auch Zam und andere Regimekritiker nicht gefeit sind. Im Verlauf der Dreharbeiten erhält auch die Regisseurin die Nachricht: „Wir werden dich und deine Familie töten.“

Als Zam Hinweise auf die geplante Liquidierung des iranischen Exil-Journalisten Ali Javanmardi erhält, verlagert sich der Fokus des Films in den kurdischen Teil des Irak. Spätestens ab dann, wenn Persson Sarvestani den mit einer Maschinenpistole bewaffneten Javanmardi begleitet, funktioniert „Der Sohn des Mullahs“ wie ein Politthriller, der nicht nur mit den Tatsachen, sondern auch durch eine bedrohliche Musik Spannung erzeugt. Ohne es zu ahnen, schlittert Persson Sarvestani in eine waschechte Geheimdienstaffäre. Zams Mitarbeiterin Shirin, die er einmal „unsere Miss Marple“ nennt, entpuppt sich als iranische Agentin. Auf ihr Anraten hin fliegt Zam in den Irak, wo er den „Schiiten-Papst“ Ayatollah Sistani interviewen will. Zugleich wird ihm das Startkapital für die Gründung eines Fernsehsenders angeboten. Doch mit seinem Flug in den Irak kommt Zam den Revolutionsgarden zu nahe. Der Regimekritiker wird in den Iran entführt und nach über einem Jahr Haft im Dezember 2020 in Teheran hingerichtet.

„Der Sohn des Mullahs“ ruft einmal mehr ins Bewusstsein, wie viel Mut es braucht, um die Stimme gegen totalitäre Herrscher zu erheben. Dass der Film an einigen Stellen stark emotionalisierend ausfällt, ist durchaus verständlich und ein im Kontext legitimes Element der dokumentarischen Erzählung. „Es war einmal ein Papa, den liebte ich wirklich sehr“, sagt eine Tochter von Roohollah Zam.

Der Kampf um die Deutungshoheit und die Verteilung der Macht im Iran ist auch ein Medien- und Informationskrieg. Die Mullahs lassen eine Fernsehserie über Roohollah Zams Festnahme produzieren. Eine schon 2019 gezeigte Dokumentation über ihn erwies sich als propagandistischer Erfolg, der Teile der kritischen Diaspora an Zams Aufrichtigkeit zweifeln ließ. „Der Sohn des Mullahs“ rückt die Dinge jetzt wieder zurecht und bildet ein Gegengewicht zur iranischen Propaganda. Die Wut der Hinterbliebenen, das suggeriert der Schluss des Films mit einem Schwenk auf die „Frau Leben Freiheit“-Bewegung, schweißt den Widerstand zusammen.

Aus Trauer über die Hinrichtung seines Sohns legte Zams Vater öffentlich sein Mullah-Gewand ab. Eine seiner Töchter nahm an den jüngsten Protesten teil. „Wir alle wissen, wir werden gewinnen“, heißt es in dem Lied, das zum Abspann läuft.

Quellen: Wikipedia, Filmdienst

Und hier ein Gedicht von Bjarne Kim Pedersen

Cut the rope

 Durchtrennt das Seil I

durchtrennt das Seil,
das den Hals des Verurteilten umschließt
und fesselt den Richter

Durchtrennt das Seil II

bringt die Richter vor Gericht
und setzt sie einem fairen Verfahren aus
angesichts ihrer Todesurteile

Durchtrennt das Seil III

Leben ist heilig
niemand soll stehlen das Recht
auf freies Atmen

(freie Übersetzung mehriran.de)

Cut the rope I

cut the rope from
the neck of the convicted
and bind the judge

Cut the rope II

put the judges to court
and give them a fair trial
for their death sentences

Cut the rope III

life is sacred
no one may steal the right
to breathe freely

(entnommen https://mehriran.de/solidaritaet.html)

Portrait-Künstlerin: Susanne Köhler

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