Sun Lin „Jie Mu“, *1955 VR China, ermordet in der VR China 2023

Sun Lin bzw. Jie Mu war ein Journalist in China. Er wurde 2023 ermordet.

Sun Lin „Jie Mu“, *1955 VR China, ermordet in der VR China 2023

Sun Lin war ein Journalist, Buchautor und berühmter Dissident in Nanjing, ein unermüdlicher Verfechter von Menschenrechten und Demokratie.

Als Journalist arbeitete er nicht mehr  für die von der Regierung kontrollierten Medien, sondern bewegte sich in der Welt der selbstproduzierten Zeitschriften und Videokanäle sowie der im Ausland veröffentlichten Dissidentenmedien. 

Der am 24. Dezember 1955 in Nanjing geborene Sun Lin machte sich von Beginn seiner journalistischen Laufbahn an einen Namen für seine freie Meinungsäußerung, die die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zog. Sun Lin, der auch unter dem Pseudonym „Jie Mu“ bekannt war, begann 1998 bei einem Fernsehsender in Nanjing zu arbeiten, der ihn jedoch entließ, weil er zu offen über „politisch heikle“ Themen sprach. Das veranlasste ihn dazu, kurz darauf seinen eigenen Videokanal zu gründen, der später von den Behörden geschlossen wurde. Sun war auch Redakteur der Nanjing-Version der BUSINESS TIMES TODAY und Herausgeber der Zeitung METROPOLIS, die er im Jahr 2000 gegründet hatte. Nachdem die Behörden METROPOLIS zur Schließung gezwungen hatten, begann Sun, für BOXUN zu berichten, eine  in den USA ansässige mandarinsprachige Nachrichtenwebsite. 

Trotz des zunehmenden Drucks und der Schikanen berichtete er über Themen der sozialen Gerechtigkeit, über Menschenrechtsverletzungen und die Korruption chinesischer Beamter.Seine journalistische Arbeit hat ihn mehrmals in rechtliche Schwierigkeiten gebracht:

Er hatte bereits 2008 eine vierjährige Haftstrafe wegen „Versammlung einer Menschenmenge zur Störung der öffentlichen Ordnung“ zusammen mit seiner damaligen Frau He Fang verbüßt, nachdem er über Mitbürger:innen berichtet hatte, die auf dem Platz des Himmlischen Friedens Eingaben in Form von Petitionen gemacht hatten. Sun hatte sich auch geweigert, die Berichterstattung über Zwangsräumungen in einer Fabrik in Nanjing einzustellen.

Nach seiner Freilassung im Jahr 2012 wurde er 2013 erneut inhaftiert, weil er die Proteste zur Unterstützung von Zhang Anni gefilmt hatte, einem damals 10-jährigen Mädchen, das am Schulbesuch gehindert wurde, weil ihr Vater Zhang Lin ein prominenter Dissident war. 

2016 wurde er erneut verhaftet, als er vor dem Prozess gegen einen Menschenrechtsaktivisten Fotos machte. Auch hatte er die Meinung geäußert, dass die Kommunistische Partei niemals die Demokratie akzeptieren wird. Das brachte ihm weitere vier Jahre Haft ein.

2018 wurde er wegen „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, dies auch wegen der Rufe „Nieder mit der Kommunistischen Partei“ bei einer Parteiversammlung in Nanjing.

Nach seiner Freilassung im Jahr 2020 versuchte er, sich zurückzuhalten, machte aber öffentlich, dass er während seiner Haft geschlagen und unter Drogen gesetzt worden war. Mitte November 2023 hatte Sun in den sozialen Medien Videos veröffentlicht, die Proteste gegen Staatspräsidenten Xi Jinping am Rande des APEC-Gipfels (Asia-Pacific Economic Cooperation) in San Francisco/USA zeigten. Kurz darauf wurde Sun Lin von Polizeibeamten totgeprügelt.

Am 17. November 2023 drangen Polizeibeamte der chinesischen Staatssicherheit in das Haus des freien Journalisten Sun Lin in der Stadt Nanjing ein und schlugen ihn schwer zusammen. Das berichtete die Nachrichten-Website WEIQUAWANG. Sun Lin wurde daraufhin in das Krankenhaus der Provinz Jiangsu gebracht und drei Stunden später für tot erklärt.

„Im Krankenhaus bat die Familie von Sun Lin darum, seinen Leichnam zu sehen, aber die Staatssicherheitspolizei weigerte sich.“ teilte das in Übersee ansässige Netzwerk Chinese Human Rights Defenders mit. „Das medizinische Personal des Krankenhauses sagte, dass seine Kleidung zerrissen war und er Kopfverletzungen erlitten hatte, was darauf hindeutet, dass er zu Tode geprügelt wurde.“ Das örtliche „Büro für Nationale Sicherheit“ soll außerdem der Familie und den Freunden gedroht haben, weder über seinen Tod zu sprechen noch öffentliche Trauerfeiern abzuhalten.

Ein Freund von Sun, der anonym bleiben möchte, sagte, dass die Behörden kurz vor seinem Tod einen befreundeten Aktivisten in der zentralen Stadt Wuhan aufgesucht hätten, der gerade ein Exemplar eines von Sun geschriebenen Buches erhalten habe. „Vor zehn Tagen statteten die Staatssicherheitspolizei von Nanjing und die Staatssicherheitspolizei von Wuhan [dem Aktivisten Xiao Yuqing aus Wuhan] einen Besuch ab“, so der Freund. „Sun Lin hatte ein Buch geschrieben und ein Exemplar an [Xiao] geschickt. „Am Tag, nachdem es angekommen war, tauchte die Polizei auf – er hatte noch nicht einmal Zeit gehabt, es aufzuschlagen und einen Blick hineinzuwerfen“, so der Freund. „Sie nahmen das Buch mit.“

„Sun hatte am Tag vor seinem Tod mit Xiao Yuqing geplaudert. Xiao war gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden und plante eine Reise nach Nanjing“, so der Freund. „Ich kenne einige der Rechtsaktivisten in Nanjing, die zur örtlichen Polizeiwache gebracht wurden, nachdem sie die Nachricht von Sun Lins Tod über den Gruppenchat erhalten hatten“, sagte der Freund. „Warum sollten sie die Nachricht von Sun Lins Tod vertuschen? Das wird nicht funktionieren“, sagten sie. Als er von RFA Mandarin kontaktiert wurde, sagte Xiao, dass ihm verboten wurde, mit den Medien zu sprechen oder online zu posten, und lehnte es ab, ein Interview zu geben.

Xiao ist nicht der einzige Dissident, der kontaktiert und zum Schweigen aufgefordert wurde. Ein in Hubei ansässiger Online-Aktivist, der nur seinen Nachnamen Mo angab, sagte, er habe einen Anruf von der Staatssicherheitspolizei erhalten, die ihn davor warnte, irgendwohin zu reisen. „Sie sagten, sie würden innerhalb von 10 Minuten vorbeikommen, wenn ich irgendwo ein Bahnticket kaufe“, sagte Mo. „Der in Henan lebende Menschenrechtsaktivist Fang Yan wurde von der Staatssicherheitspolizei aufgefordert, nicht nach Nanjing zu reisen.

„Es wird immer schwieriger für uns zu existieren“, sagte Mo.

Dissidenten in ganz China protestieren weiterhin gegen die Ermordung von Sun Lin. Diejenigen, die Kommentare in den sozialen Medien veröffentlichen, die umgehend gelöscht werden, erhalten Besuch von der Polizei, die ihnen mitteilt, dass jede weitere Anfrage oder jeder weitere Kommentar über Sun Lin sie ins Gefängnis bringen wird.

„Dieser grausame Mord ist eine direkte Folge der Paranoia des chinesischen Regimes, das in jedem unabhängigen Medienvertreter oder Journalisten einen Staatsfeind sieht und ihn deshalb systematischen Repressalien aussetzt. Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf das Regime auszuüben, damit es seine unerbittlichen Angriffe auf die Pressefreiheit und das Recht auf Information beendet.“ sagte Cédric Alviani, der Direktor des Asien-Pazifik-Büros der RSF (Reporter ohne Grenzen)

Quellen: Reporter ohne Grenzen, Chinese Human Rights Defenders, Bitterwinter.org, Radio Free Asia

Künstlerin: Susanne Köhler