Roman Protassewitsch, * 1995 Belarus, im Exil entführt 2021, zu 8 Jahren Straflager verurteilt

* 1995 Belarus, im Exil entführt 2021, zu 8 Jahren Straflager verurteilt

Der Belarusse Roman Protassewitsch ist regierungskritischer Blogger und Journalist. Er studierte Journalismus in Belarus, wurde jedoch von der Uni gegen seinen Willen exmatrikuliert. Er blieb noch einige Zeit in seiner Heimat und arbeitete dort bei unabhängigen belarussischen Medien, darunter RADIO LIBERTY und EURORADIO.

Ende 2019 musste der Journalist jedoch nach Polen fliehen, wo er Anfang 2020 politisches Asyl beantragte. Ähnlich wie in der litauischen Hauptstadt Vilnius gibt es auch in Warschau eine große belarussische Exilgemeinde. Dort arbeitete Protassewitsch bis September 2020 als Chefredakteur des populärsten Telegram-Kanals Belarus NEXTA. Dann wurde er Chefredakteur und Moderator des in Belarus beliebten Telegram-Kanals BELAMOVA. Dessen Gründer, Ihar Losik, befindet sich seit Juni 2020 in belarussischer Haft.

Protassewitsch avancierte mit seiner Arbeit aus dem Exil zu einem der bekanntesten belarussischen Blogger und Kritiker des Präsidenten Lukaschenko.

Zusammen mit Stiapan Putsila (Gründer von NEXTA), Swetlana Tichanowskaja, Pavel Latushka sowie anderen politischen Aktivisten wird er vom belarussischen Geheimdienst KGB auf einer „Terroristen“-Liste geführt.

Seitdem die Straßenproteste 2021 von Staatschef Lukaschenko durch Massenverhaftungen klein gehalten wurden, fiand der Protest vor allem digital statt. Eine der wichtigsten Informationsplattformen der belarussischen Oppositionsbewegung ist der verschlüsselte Nachrichtendienst TELEGRAM. Der Kanal NEXTA hatte im Mai 2021 etwa eine Million Abonnenten und gilt als eine der wichtigsten Informationsquellen für die Opposition über die Proteste in Belarus, die nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im August 2020 begonnen hatten. Für Lukaschenko stellen die verschlüsselten TELEGRAM-Kanäle zurzeit eine große Gefahr dar. Roman Protassewitsch moderierte den populärsten TELEGRAM-Kanal. Der konnte auch weiter berichten, als das Internet von Lukaschenko tagelang lahmgelegt wurde. So verbreiteten der Blogger und seine Mitstreiter Videos der Polizei- und Staatsgewalt und wurden dafür zu „Staatsfeinden“ erklärt.

Der 26-jährige Protassewitsch hatte sich im Mai 2021 in Athen wegen einer Konferenz aufgehalten. Er flog nach Vilnius, um seine Freundin zu begleiten, die dort lebt. Die Reisepläne sollen nur einem sehr engen Kreis bekannt gewesen sein. Am 24. Mai 2021 zwang Belarus eine Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius unter dem Vorwand einer Bombendrohung zur Zwischenlandung in Minsk. Protassewitch und seine russische Begleiterin wurden in Minsk festgenommen. Mehrfach wurde der Journalist danach im Fernsehen regelrecht vorgeführt . Zehn Tage nach seiner Verhaftung „gestand“ er, die öffentliche Ordnung gestört zu haben und schwor dem Präsidenten Alexander Lukaschenko „bedingungslosen Respekt“. Dabei hatte er Tränen in den Augen, und seine Handgelenke waren durch Handschellen verletzt. Solche Anzeichen von geistiger und körperlicher Erschöpfung sind  typisch für solche Zwangsgeständnisse wie die Inszenierung im Staatsfernsehen.

Ein paar Wochen später wiederholte er sein „Geständnis“ bei einer Pressekonferenz des belarussischen Außenministeriums neben einem hochrangigen Offizier der Luftwaffe, dem Sprecher des Außenministeriums und zwei Mitgliedern der Regierung. Er behauptete, er sei „im Gefängnis nicht misshandelt worden“ und gab zu, dem Staat „Schaden zugefügt“ zu haben. Die anwesenden Journalistinnen und Journalisten verließen nach diesem unter Zwang zustande gekommenen Bekenntnis aus Protest die Pressekonferenz.

„Diese erniedrigende Praxis der erzwungenen Geständnisse ist unsäglich“, so RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Sie verletzt eindeutig Artikel 14 über faire Gerichtsverfahren des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, dem sowohl Belarus als auch Russland beigetreten sind. Wir fordern Minsk und Moskau auf, dieser Praxis ein Ende zu setzen und die internationalen Rechtsnormen zu respektieren, die sie unterzeichnet haben.“

Im Juni 2021 befinden sich der Journalist und seine Begleiterin nach übereinstimmenden Berichten in einem gemeinsamen Hausarrest in einer Minsker Wohnung, allerdings stehen sie damit weiter unter völliger Kontrolle des Geheimdienstes.

Anfang Mai 2023 wurde der mutige Journalist von einem Minsker Gericht zu acht Jahren Haft in einem Straflager verurteilt.

Quelle: MDR, Reuters,  Reporter ohne Grenzen (RSF), AFP,  BELTA (Belarussische Nachrichtenagentur), Frankfurter Rundschau

Künstlerin: Susanne Köhler