Abelardo Liz, * 1986 Kolumbien, getötet 2020 Kolumbien

Abelardo Liz, * 1986 Kolumbien, getötet 2020 Kolumbien

Der Journalist arbeitete für den Gemeinde-Radiosender NACIóN NASA des Kommunikationsnetzes von VOZ DEL VIENTO (We’jxia Kaa’senxi/ indigener Rat) in der Ortschaft Corinto, einer Gemeinde im Departement Cauca im Südwesten Kolumbiens. Er war selbst Angehöriger der indigenen Gruppe der Nasa und moderierte eine tägliche Nachrichten- und Kultursendung namens „El Sabor de la Tarde (Nachmittagsgeschmack)“

Am 13. August 2020 berichtete der Radioreporter über eine Demonstration in Corinto. Abelardo Liz machte Ton- und Videoaufnahmen eines zweitägigen Armee-Einsatzes, der das Volk der Nasa von einem Stück Land vertreiben sollte. Die Nasa beanspruchten das Territorium als ihr angestammtes Land, eine private Zuckerfirma war aber juristisch in Besitz des Gebietes. Eine Nasa-Gemeinschaft hatte in den letzten sechs Jahren auf diesem Land gelebt und Getreide angebaut. Sie beriefen sich dabei auf ein „Ursprungsgesetz“. Die Menschen protestierten in diesen Augusttagen gegen ihre Vertreibung.

Die Lage spitzte sich zu, als auf Anordnung des Bürgermeisters die Armee, die Polizei und die ESMAD eintrafen. Während der Militäraktion wurde der 34-jährige Radiojournalist Liz durch Schüsse schwer verletzt und starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Ein Aktivist wurde ebenfalls erschossen und mehrere Demonstranten verletzt. 

Dora Muñoz, Sprecherin der Nasa-Gemeinde schilderte die Ereignisse folgendermaßen: 

Die Soldaten hätten „wahllos“ auf die Nasa-Zivilisten geschossen und Liz in die Brust getroffen. Im Krankenhaus in Corinto habe die Ausrüstung gefehlt, um Liz zu operieren, und er starb in einem Krankenwagen auf dem Weg in ein anderes Krankenhaus in der nahe gelegenen Stadt Cali.

Eine andere Version der Ereignisse schilderte General Mayorga Niño, Kommandeur der Division, deren Truppen an der Armeeaktion beteiligt waren. Er urteilte, die Nasa-Leute hätten illegal Privateigentum besetzt und die Nasa und die linke Guerilla sei für die beiden Todesfälle verantwortlich. Er behauptete, dass linke Guerillas die Nasa-Gruppe infiltriert hätten, auf seine Soldaten geschossen hätten, versucht hätten, Truppen zu entführen. Auch hätte sie Kommunikationsgeräte der Armee gestohlen. Seine Soldaten hätten also auf einen Angriff von Guerillas reagiert. Er bestritt, dass die Armee auf Zivilisten gezielt habe.

Muñoz bestand gegenüber CPJ darauf, dass die Mitglieder der Nasa-Gemeinde unbewaffnet waren. Sie behauptete auch, das Militär habe medizinisches Personal daran gehindert, Liz zu erreichen, um ihm zu helfen, nachdem er angeschossen wurde.

In einer Erklärung bezeichnete die in der  Hauptstadt Bogotá ansässige Stiftung für Pressefreiheit (FLIP) die Gewaltanwendung der Armee gegen die Nasa-Indigenen als „unverhältnismäßig“ und wies die Darstellung der Ereignisse durch das Militär zurück.

Seit mehreren Jahren ist das Departement Cauca – in dem fast ein Viertel der Bevölkerung indigener Herkunft ist – Schauplatz zahlreicher Konflikte. Dabei geht es einmal darum, daß indigene Gemeinden sich mit Agroindustriellen um Landbesitz streiten. Auch der Drogenanbau und die Route des Drogenhandels sorgen für gewalttätige Auseinandersetzungen. Erlaubter und illegaler Bergbau führt zu Streitigkeiten. Die aggressiven Akteure, gegen die sich die indigenen Gemeinschaften zur Wehr setzen müssen, sind: paramilitärische bewaffnete Gruppen wie Los Rastrojos, ehemalige FARC-Guerillos, dann die Nationale Befreiungsarmee (ELN); Banden von Drogenhändlern wie der „Golf-Clan“ und die Nationale Armee. In den ersten fünf Monaten der Corona-Pandemie 2020 wurden in diesem Gebiet 26 Menschen ermordet, darunter soziale Führer:innen, Umweltschützer:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen. 

Diese Situation spiegelt die große Verletzlichkeit von Journalisten wider, die oft bedroht oder angegriffen werden.

Über das Volk der Nasa:

„Die Paez sind ein im Süden Kolumbiens lebendes indigenes Volk.Sie bezeichnen sich selbst als Nasa. Sie leben in Cauca, einem Departamento Kolumbiens und dort in 21 Indianerreservaten auf insgesamt 2.764 km² in der schwer zugänglichen Anden-Region Tierradentro. Ihre Anzahl betrug 2011 etwa 138.000 Menschen. Damit sind sie zahlenmäßig eines der größten indigenen Völker Südamerikas.Ungefähr 65 % von ihnen sind christlicher Religion.

Die Paez sind wie alle Andenvölker seit der Conquista stark von der spanischen Kultur beeinflusst. Seit dem 20. Jahrhundert und bis heute ist der Koka-Anbau und die daraus resultierende Drogenkriminalität ein immer wiederkehrendes Problem für die Ethnie. Das indigene Volk der Nasa im Norden des Cauca befindet sich seit der Kolonialzeit im Widerstandskampf. Die Nasa kämpfen um Autonomie, ihre traditionellen Territorien, Kultur, Sprache, Bräuche, Wissen und für die Realisierung ihres Weltbildes, das auf Harmonie zwischen allen Lebewesen beruht. Sie befinden sich inmitten des bewaffneten Konfliktes zwischen Politik, Militär, Paramilitär und Guerilla.

Dieser negativen Entwicklung setzt sich seit 1971 eine Re-Indigenisierungsbewegung entgegen, die neben Kämpfen um Landrechte intensiv versucht, das ethnische Bewusstsein zu stärken. Die Bewegung geht von einer intellektuellen Elite aus, deren Ziel es ist, fremde Kulturelemente zu verbannen und das präkolumbische Erbe so weit wie möglich wieder zu beleben. Dies gilt sowohl für rituelle Revitalisierung der ethnischen Religion und des Schamanentums … als auch für viele andere Kulturelemente. 1994 kam es zu einem verheerenden Erdbeben im südlichen Stammesgebiet, das den Prozess deutlich festigte und beschleunigte. Die Schamanen deuteten dies als Warnschuss der Mutter Erde und anderer numinoser Geistmächte, weil die Indianer dem kommerziellen westlichen Lebensstil gefolgt seien, der bereits große Schäden an der lebenssichernden Umwelt verursacht hätte.“ schreibt Wikipedia.

Quelle: CPJ, Reporter ohne Grenzen, Wikipedia

Künstlerin: Susanne Köhler