Cihan Bilgin, *Türkei , ermordet 2024 Syrien / Rojava
Cihan Bilgin stammt aus dem Gebiet Nordkurdistan in der Türkei. Sie arbeitete seit Jahren als Korrespondentin in Nord-und Ostsyrien für die Nachrichtenagentur ANHA.
Im Dezember 2024 hielt sich Cihan Bilgin in der „Autonomen Administration Nord- und Ostsyrien“ auf, besser bekannt als Rojava, ein de facto autonomes Gebiet in der gleichnamigen Region im Nordosten von Syrien. Dieses Selbstverwaltungsgebiet entstand ab 2012 infolge der Geschehnisse des Syrischen Bürgerkriegs.
Am 19. Dezember 2024 war Cihan Bilgin zusammen mit dem Kollegen Nazim Dastan (Berichterstatter von der Front für ANF) am Tişrîn-Staudamm / Rojava und verfolgten die seit dem 8. Dezember andauernden Kämpfe am Staudamm und der Qereqozaq-Brücke. Dort versuchten protürkische Söldner der SNA (Syrischen Nationalarmee) mit türkischer Luftunterstützung den Euphrat zu überqueren, um dann die Stadt Kobanê / Rojava anzugreifen.
Sie waren auf dem Rückweg von einer Reportage über das Kampfgeschehen, als eine türkische Kampfdrohne um 15.20 Uhr Ortszeit ihr Fahrzeug attakierte. Das Auto war als Pressefahrzeug gekennzeichnet. Beide Journalisten waren sofort tot, der Fahrer Ezîz Hec Bozan wurde verletzt.
Tausende Menschen reisten aus nahezu allen Regionen der Autonomiegebiete nach Qamişlo, um Daştan und Bilgin sowie gefallenen kurdischen Kämpfer:innen die letzte Ehre zu erweisen. Kolleg:innen trugen die Särge der beiden auf ihren Schultern. Der Journalist Ekrem Berekat, der zusammen mit Cihan Bilgin für die Nachrichtenagentur ANHA arbeitete, sprach im Namen des Verbands freier Medien (YRA). Er beschrieb seine ermordeten Kolleg:innen als „mutige Verfechter:innen der Wahrheit“, die ihr Leben ließen beim Versuch, der Welt die Wahrheit zu zeigen über den Krieg in Nord- und Ostsyrien. (…)
„Unsere Aufgabe ist es nun, dort weiter zu schreiben, wo Nazım und Cihan aufhören mussten.“
Nazım Daştan und Cihan Bilgin sollten nach Nordkurdistan (Bakur) in der Türkei gebracht werden und an ihren Heimatorten beerdigt werden. Die türkische Regierung ließ eine Überführung der Leichname jedoch nicht zu.
Über zwei Tage lang steckte die Gruppe, in der sich auch Daştans Vater und Mitglieder des Journalistenvereins DFG befanden, am Kontrollpunkt Habur fest, weil Fahrzeugscanner defekt gewesen seien und Passkontrollen nicht funktioniert hätten. „Man hätte diese Passierstelle für die Überführung der Leichname nur für einen Moment öffnen müssen. Wir haben über Wochen auf eine entsprechende Zusage gewartet, die uns zu Beginn auch seitens des Innenministeriums in Aussicht gestellt wurde“, erklärte der DEM-Abgeordnete Kamuran Tanhan. Der Versuch, die sterblichen Überreste durch die Kurdistan-Region im Irak in die Türkei zu transportieren, gelang ebenfalls nicht, sodass die Journalisten in Qamişlo an der türkischen Grenze beerdigt werden sollten.
Cihan Bilgin ist die dritte kurdische Journalistin, die durch einen türkischen Drohnenangriff 2024 getötete wurde. „Wir verurteilen diesen Angriff aufs Schärfste und fordern eine sofortige, unabhängige Untersuchung, um festzustellen, ob diese Journalistinnen absichtlich getroffen wurden. Die gezielte Bekämpfung der Presse in einem Konfliktgebiet stellt ein Kriegsverbrechen dar. Die Türkei muss für die wachsende Zahl kurdischer Journalistinnen, die durch ihre Drohnenangriffe getötet und verletzt wurden, zur Verantwortung gezogen werden“, fordert Women Press Freedom.
Derweil wurden in der Türkei Proteste gegen die Ermordung Daştans und Bilgins unterdrückt. Sieben Journalist:innen, die in Istanbul gegen die Tötung ihrer beiden Kollegen protestiert haben, kamen unter „Terrorverdacht“ in Untersuchungshaft. Ein weiteres Terror-Verfahren läuft gegen die Rechtsanwaltskammer Istanbuls. Grund war die Forderung der Organisation nach einer Untersuchung des Drohnenmordes an den Journalisten.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat die Türkei am 23.Dezember 2024 aufgefordert, den Tod der kurdischen Journalist:innen Nazım Daştan und Cihan Bilgin aufzuklären. „Das ist ein ungeheuerlicher Verdacht, der von der türkischen Regierung aufgeklärt werden muss“, sagt DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster. „Wenn türkische Sicherheitskräfte Jagd auf Berichterstatter machen, gehören die Verantwortlichen vor Gericht.“
Stand der Recherche Februar 2025
Quelle: anfdeutsch.com, DJV
Künstlerin: Susanne Köhler
Text. Susanne Köhler
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