Sedef Kabaş, * 1968 Grossbritannien, in türkischer Haft 2022

Sedef Kabaş, * 1968 Grossbritannien, in türkischer Haft 2022

Die in London geborene türkische Journalistin, Nachrichtensprecherin und Publizistin Sedef Kabaş studierte in Istanbul und machte anschließend den Master an der privaten US-amerikanischen Boston University. An der istanbuler Marmara-Universität promovierte sie im Jahr 1995 zum Themenbereich Interview-Techniken und Reportagen.

Sie gehörte zum ersten Journalistenteam des Radiosenders POWER FM. Später war sie die erste türkische Journalistin, die bei CNN International arbeitete. Sie erhielt 1998 den „CNN World Report/Best Economy News Award“ für einen Beitrag über Döner in Deutschland. Später kehrte sie in die Türkei zurück und arbeitete für verschiedene Sender: NTV (Türkei), ATV, TV8, SKY Türk und beim staatlichen Sender TRT2. Kabaş ist seit 2010 verheiratet und hat ein Kind.

Im Dezember 2014 wurde sie wegen eines Tweets in Gewahrsam genommen, verhört und später vor Gericht gestellt. Der Tweet bezog sich auf einen Korruptionsskandals in der Türkei 2013 (siehe unten). Er besagte, dass man den Richter, der das Verfahren damals einstellte, niemals vergessen dürfe. Das Verfahren gegen die Journalistin endete im Oktober 2015 mit einem Freispruch.

Am 21. Januar 2022 kritisierte die 54-Jährige bei TELE 1 die Regierung für ihr hartes Durchgreifen gegen Kritiker und ihre Polarisierung der Gesellschaft.

Einen Tag spätr wurde die mutige Journalistin festgenommen und der Präsidentenbeleidigung beschuldigt: 

Weil sie auf Twitter (sie hat dort 900 000 Follower) ein tscherkessisches Sprichwort zitierte, das man auf Präsident Erdoğan beziehen konnte:

 „Geht ein Ochse in einen Palast, wird er nicht zum König, sondern der Palast zum Stall.“

Mitglieder des Kabinetts sowie Erdoğan-Sprecher Fahrettin Altun griffen sie daraufhin scharf an. „Eine sogenannte Journalistin hat glattweg unseren Präsidenten in einem Fernsehsender beleidigt, der kein anderes Ziel hat, als Hass zu verbreiten“, schrieb Altun auf Twitter. „Ich verurteile diese Arroganz, dieses Fehlen von Moral auf das Schärfste.“

Die türkische Medienaufsicht RTUK startete indes eine separate Untersuchung gegen den Sender TELE1 wegen „inakzeptabler Aussagen gegen unseren Präsidenten“. In den sozialen Medien zeigten Nutzer derweil ihre Unterstützung für Kabaş. Die türkische Journalistengewerkschaft TGS erklärte, Kabaş‘ Festnahme sei „ein schwerer Angriff auf die Pressefreiheit“.

Das Istanbuler Gericht sprach die bekannte Journalistin im März 2022 der „Präsidentenbeleidigung“ schuldig. Das Urteil beläuft sich nach Angaben der Anwaltsvereinigung MLSA auf zwei Jahre und vier Monate. Kabas, die seit ihrer Verhaftung in Untersuchungshaft gesessen hatte, sei nach dem Urteil aus der Untersuchungshaft entlassen worden, so die Vereinigung. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor eine Haftstrafe von acht Jahren und zwei Monaten gefordert.

Der Korruptionsskandal in der Türkei 2013:

Im Zuge der Ermittlungen wurden zunächst unter anderem die Söhne des türkischen Innenministers, des Wirtschaftsministers  und des Umweltministers verhaftet. Ihnen wurde vorgeworfen, groß angelegte Umgehungsgeschäfte mit dem Iran abzuwickeln, bei denen die Türkei iranisches Erdöl mit Gold bezahlt, um die von der EU und den USA (aufgrund des iranisches Atomprogramms) verhängten Sanktionen gegen den Iran im elektronischen Geldverkehr zu vermeiden. Ministerpräsident Erdoğan sprach von einer Schmutzkampagne gegen seine Regierung. Nach Meinung vieler Beobachter ist Erdoğans Gegner in der Affäre Fethullah Gülen und die Gülen-Bewegung. Als Reaktion enthob die Regierung zahlreiche hohe Polizeibeamte, darunter den Polizeichef von Istanbul, ihres Amtes und versetzte über 400 weitere.

Die Väter der drei Verhafteten traten zurück, zehn Ministerposten wurden neu besetzt. Die Regierung ließ in der Folge 500 auch ranghohe Polizisten des Amtes entheben (darunter den Polizeichef von Istanbul), offenbar, um die Ermittlungen zu erschweren oder zu stoppen. Ein türkischer Staatsanwalt beklagte daraufhin, er sei daran gehindert worden, die Regierungszirkel betreffenden Korruptionsuntersuchungen auszuweiten. Er deutete auch systematischen Druck der Polizei auf die Justiz an. Zwei Monate später, im Februar 2014 wurde in den türkischen Medien ein Telefongespräch veröffentlicht, das zwischen Ministerpräsident Erdoğan und seinem zweiten Sohn Necmettin Bilal am 17. Dezember 2013 stattgefunden haben soll. Ministerpräsident Erdoğan bestritt, dieses Telefongespräch geführt zu haben und nannte es eine Fälschung. Demgegenüber waren Teile der Medien, die oppositionellen Parteien in der Türkei sowie ein Teil der Politiker der regierenden Partei zu der Überzeugung gelangt, dass das Telefongespräch echt sei. In diesem Telefongespräch weist Erdogan seinen Sohn an, Gelder (in Höhe von mehreren Millionen US-Dollar) so schnell wie möglich aus dem Haus zu schaffen. Die Anklagen wurden durch die Gerichte schließlich abgewiesen und der Skandal von der türkischen Regierung als verkappter Staatsstreich dargestellt.

Quelle: Wikipedia, DIE ZEIT

Künstlerin: Susanne Köhler