Shangguan Yunkai, * VRChina 1967, 2023 in der VRChina verhaftet und zu 15 Jahren Haft verurteilt
In den 1980er- und 90er-Jahren schrieb der Journalist zunächst für die staatliche Zeitung LEGAL DAILY.
Seit über 2000er Jahren prangerte der Investigativ-Journalist Shangguan Yunkai unermüdlich Korruption und Manipulation im Staatsapparat an. Er betrieb die beiden Blogs LIFE IN QUEENSLANS und HUANGXIAO NATIVE EGGS. Hier berichtete er über Themen wie Manipulationen in der Landwirtschaft und die behördlich angeordnete Zerstörung von Privatgrundstücken. Mit seiner Berichterstattung war er erstmals in Ungnade gefallen, als er zu korrupten Praktiken des Vizegouverneurs der zentralchinesischen Provinz Hubei, Xu Penghang recherchierte, der letztlich aus dem Amt entlassen worden war. Shangguans Artikel, Blog-Einträge und Posts sollen korrupte Beamte wiederholt in Erklärungsnot gebracht haben. So soll ein Vize-Direktor und Parteisekretär seine Ämter verloren haben, nachdem Shangguan aufgedeckt hatte, wie der Mann sich bereichert haben soll. Über Messengerdienste hatte der Investigativ-Journalist immer wieder dazu aufgerufen, Hinweise und belastendes Material gegen korrupte Beamte im Staatsapparat zu teilen.
Am 20. April 2023 wurde Shangguan in Handschellen und mit Kapuze über dem Kopf aus einem beliebten Teehaus in Wenzhou abgeführt.
Die Anschuldigung der Polizei von Wenzhou klang zunächst kurios:
Am Ende eines Artikels soll er eine Anzeige platziert haben, die für ein Pflegeprodukt warb. Dieses sei in Wirklichkeit gepanscht, behaupten die Behörden. Es stammt aus Taiwan, das China als abtrünnigen und zu ächtenden Teil des Festlands betrachtet, argumentieren die Angehörigen. Laut Shangguans Sohn Keke wird die Salbe allerdings auch auf diversen Online-Handelsplattformen vertrieben. Die Anklage legte nach: Shangguan habe Streit angefangen und Ärger provoziert – eine Verhaltensweise, die unabhängig vom Wahrheitsgehalt im konkreten Fall – in China mit 15 Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Vorausgegangen sei, so sein Sohn, eine akribische verdeckte Ermittlung. Angebliche Kunden hätten sich erst interessiert gezeigt am Kauf des Medizinprodukts, dann hätten sie die Handschellen gezückt. Familie und Verteidigung sei nur widerwillig Kontakt zu dem Untersuchungshäftling eingeräumt, diverse Einschüchterungsversuche seien nicht abgerissen.
Nach den Recherchen von Radio Free Asia sollen nach offiziellen chinesischen Angaben allein im ersten Quartal 2023 über 770.000 Hinweise zu Korruptionsverdacht bei der kommunistischen Partei eingegangen sein. Jede siebte habe zu einer Sanktion geführt, bis hinauf auf Ministerialebene. Das ist indes ein schwacher Trost für Shangguan Yunkai, dessen Strafmaß im oberen Bereich liegt. Er dürfte eines der Opfer sein, die unter eine vor einem Jahr verschärfte Gesetzgebung fallen, wonach auch der Sprachgebrauch als Spionageakt gewertet werden kann, wenn über sie nationale Sicherheit oder Interessen gefährdet werden. Das eröffnet der Strafverfolgung einen breiten Spielraum, gerade auch bei Posts und Kommentaren im Netz. Shangguans Weibo Blog hatte zuletzt rund 24.000 Follower.
Also geht die Regierung gegen die Korruption in den eigenen Reihen zwar vor. Doch gibt die verschärfte Gesetzgebung auch den skrupellosen Individuen innerhalb des eigenen Machtapparates mehr Spielraum, um gegen diejenigen vorzugehen, die sie anprangern. So wurde der Investigativjounrnalist Shangguan Yunkai selbst zum Opfer seiner Enthüllungen – von Taten, die er gar nicht selbst zu verantworten hat.
Anfang 2024 wurde der 57-Jährige zu 15 Jahren Gefängnis und zur Zahlung einer Geldstrafe von 380,000 Yuan (rund 50.000 Euro) verurteilt.
Für seinen Mut ist er vom Deutschen Journalisten Verband Landesverband Hessen (DJV) ausgewählt worden. Er besitzt nun die „Feder für die Pressefreiheit“, die alljährlich zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai versandt wird. Mit dem namensgravierten Füllfederhalter verfasst Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni einen persönlichen Brief an den künftigen Besitzer. Über Mittelsleute wird versucht, das Schreibgerät dem Inhaftierten zukommen zu lassen und damit die Botschaft zu senden, dass das Schicksal aufmerksam registriert und verfolgt wird.
Mindestens 109 Medienschaffende sitzen in China im Januar 2024 im Gefängnis, mehr als in jedem anderen Land der Welt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Platz 179 von 180 Staaten.
Quelle: DJV Hessen „Blickpunkt extra zum Tag der Pressefreiheit“, Radio Free Asia, Reporter ohne Grenzen
Künstler: Patrick MacAllister
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