Zhang Zhan, * 1983 China, 2020 zu 4 Jahren Haft verurteilt

Zhang Zhan, * 1983 China, 2020 zu 4 Jahren Haft verurteilt

Zhang Zhan ist studierte Juristin, arbeitete als Anwältin und ist christlichen Glaubens.

Anfang Februar 2020, während der Zeit des harten Corona-Lockdowns reiste Zhang Zhan in die zentralchinesischen Millionenmetropole Wuhan, in der die weltweite Covid-19-Pandemie ihren Ursprung hatte. Zhang Zhan war keine ausgebildete Journalistin, aber sie wollte über die Geschehnisse als Bürgerjournalistin berichten.

Mehrere Wochen lang produzierte sie vor Ort insgesamt 122 Videoclips, die sie unter anderem auf den in China gesperrten Plattformen YOUTUBE und TWITTER hochlud. Die Clips bestehen meist aus kurzen, verwackelten Straßenaufnahmen. Oder sie filmt sich in ihrem Hotelzimmer und wettert gegen das Regime oder oft auch bei lautstarken Auseinandersetzungen mit Polizisten, die sie immer wieder auffordern, das Filmen zu beenden. In diesen Mini-Reportagen sprach sie unter anderem über Alltagsprobleme in Krankenhäusern, über Korruption in staatlichen Stellen und andere Missstände während des Covid-Lockdowns. Zhang Zhan sprach über überfüllte Krankenhäuser und abgewiesene Patienten, über die abgeriegelte Zwölf-Millionenstadt, die entgegen der offiziellen staatlichen Propaganda mit dem Ausbruch des Coronavirus völlig überfordert war. In einem Artikel warf sie den Behörden Vertuschung und Zensur vor, außerdem überzogene Maßnahmen, die gegen die Menschenrechte verstoßen würden und interviewte Bürger:innen. Ein Video zeigt, wie sie eine Polizeistation betritt, um nach verschwundenen Bürgerjournalisten zu fragen.

Im Mai 2020 wurde die 37-Jährige selbst verhaftet. Man warf ihr unter anderem vor, ausländischen Medien Interviews gegeben zu haben.Einen Monat später begann sie einen Hungerstreik und wurde zwangsernährt. Im Dezember 2020 stellte man sie vor Gericht. Ihr Gesundheitszustand war nach Angaben ihrer Anwälte „extrem schlecht“. Sie musste im Rollstuhl in den Gerichtssaal gebracht werden. Sie wurde in dem Verfahren beschuldigt, „Streit geschürt und Unruhe gestiftet“ zu haben. Sie habe „bestürzt“ gewirkt, als das Urteil gegen sie am 28. Dezember ergangen sei, sagte Zhangs Anwalt nach Prozessende. Ihre Mutter habe bei der Verlesung des Strafmaßes laut geschluchzt. Seine Mandantin glaube, dass sie im Gefängnis sterben werde. Sie habe gesagt, dass sie es „bis zum Ende“ ablehnen werde zu essen, falls sie eine hohe Strafe erhalte, sagte Ren. „Es ist eine extreme Methode des Protests gegen diese Gesellschaft und diese Lebenswelt.“ Ein weiterer Verteidiger sagte, Zhang fühle sich „psychisch erschöpft“. Jeder Tag sei „wie Folter“ für die 37-Jährige. Zhang befindet sich in einem Gefängnis in Shanghai, in dem sie ein Jahr zuvor schon einmal eingesperrt war, weil sie öffentlich mit den pro-demokratischen Protesten in Hongkong sympathisierte.

Zhang ist nur eine von mehreren „Bürgerjournalisten“, die von den chinesischen Behörden während der Pandemie zum Schweigen gebracht wurden. Tausende Internetnutzer wurden 2020 bestraft, weil sie angebliche Gerüchte über das Coronavirus im Internet verbreitet hätten. Selbst kritische Fragen zu stellen ist in China gefährlich. Seit dem Frühjahr 2020 wurden in China zahlreiche ähnliche Fälle von verfolgten Journalist:innen und Blogger:innen bekannt. Quasi alle Medien in China stehen unter der Kontrolle der Kommunistischen Partei. Diese versucht vermehrt, ihr Narrativ vom perfekt abgelaufenen Corona-Management auch im Ausland zu verbreiten – zum Beispiel durch geschönte Social-Media-Berichte und durch die Arbeit staatlicher chinesischer Medienagenturen. Diese versuchen etwa in Europa, mit unkritischen Berichten über Chinas Covid-Management Sendezeit und Einfluss zu erlangen. Auch für ausländische Journalist:innen ist die Arbeit in China 2020 deutlich schwieriger geworden. Einschränkungen, Verfolgung und Belästigung durch Sicherheitsbehörden haben zugenommen. Mehr als ein Dutzend ausländische Reporter wurden 2020 aus China ausgewiesen. Neue Auslandskorrespondent:innen  lässt die kommunistische Führung de facto nicht mehr einreisen. Auch in Deutschland warten mehrere Journalisten seit Monaten vergeblich auf entsprechende chinesische Pressevisa.

Zunehmend schwieriger wird auch die Lage für chinesische Journalisten, die für ausländische Medienunternehmen in China arbeiten.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen listet China auf ihrer Rangliste der Pressefreiheit ganz hinten, auf Rang 177 von 180 Staaten weltweit. Weniger Pressefreiheit als in China gibt es demnach nur in Eritrea, Turkmenistan und Nordkorea. In China leben 1,4 Milliarden Menschen. Es ist das bevölkerungsreichste Land der Erde.

Update: November 2021 schreibt Reporter ohne Grenzen in einer Pressemitteilung:

„Reporter ohne Grenzen (RSF) ist in großer Sorge um die chinesische Journalistin Zhang Zhan und fordert ihre sofortige Freilassung. Ihr Gesundheitszustand hat sich rapide verschlechtert, da sie im Rahmen eines Hungerstreiks kaum noch Nahrung zu sich nimmt. Bleibt die Reporterin weiter in Haft, droht sie zu sterben. Zhang ist vor allem durch ihre Berichterstattung über die Frühphase der Covid-19-Pandemie in der Stadt Wuhan bekannt geworden. Die internationale Gemeinschaft muss Druck auf das Regime in Peking ausüben und die Freilassung von Zhang Zhan erwirken, bevor es zu spät ist“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Sie hat nur ihre Pflicht als Journalistin erfüllt und hätte niemals festgenommen, geschweige denn zu einer Haftstrafe verurteilt werden dürfen (…) Im Gefängnis ist die 38-Jährige in einen Hungerstreik getreten, weil sie gezwungen wurde, ihre vermeintliche Schuld einzugestehen. Um nicht zwangsernährt werden zu müssen, nimmt sie sehr wenig Nahrung zu sich, anstatt sie komplett zu verweigern. Ihr Gesundheitszustand hat sich erheblich verschlechtert. Zhangs Mutter berichtete Radio Free Asia nach einem Videogespräch mit ihrer Tochter Ende Oktober, dass die Journalistin ohne Hilfe nicht mehr gehen kann und offenbar nicht genug Kraft hat, ihren Kopf zu heben. Bei einer Körpergröße von 1,77 Meter wiegt Zhang inzwischen weniger als 40 Kilogramm. Zuletzt wurde Zhang Anfang August 2021 für elf Tage ins Krankenhaus eingeliefert und musste danach trotz ihrer körperlichen Verfassung wieder zurück ins Gefängnis.
Mitte September hat RSF in einem Bündnis von 44 Menschenrechts-NGOs den chinesischen Präsidenten Xi Jinping aufgefordert, Zhang Zhan freizulassen und die juristischen Verfahren gegen sie einzustellen.
Neben Zhang schweben (2021) mindestens zehn weitere in China inhaftierte Verteidigerinnen und Verteidiger der Pressefreiheit in Lebensgefahr, darunter der Investigativreporter und RSF-Preisträger Huang Qi, der schwedische Verleger Gui Minhai und der uigurische Journalist Ilham Tohti, Träger des Václav-Havel-Preises und des Sacharow-Preises.
Im Februar 2021 starb Kunchok Jinpa, eine wichtige Quelle ausländischer Medien zu Tibet, infolge von Misshandlungen während der Haft. Im Jahr 2017 starben der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo und der Blogger Yang Tongyan. Bei beiden wurde 2017 während langjähriger Haftstrafen Krebs im Endstadium diagnostiziert. Im Gefängnis wurden sie nicht ausreichend medizinisch versorgt. Sie starben, kurz nachdem sie ins Krankenhaus verlegt wurden.“

Im November 2021 bekam Zhang einen von drei Press Freedom Awards (Pressefreiheitspreisen) von „Reporter ohne Grenzen“ verliehen.

Die DEUTSCHE WELLE berichtet im Januar 2023:

„Zhangs Mutter habe ihre Tochter nicht mehr per Videoanruf sehen können, seitdem sie im September wegen einer Krebserkrankung operiert wurde, sagt der chinesische Menschenrechtsanwalt Li Dawei. Kontakt zu Zhang könne sie nur über Telefonanrufe und Briefe halten. „Sie darf Zhang nur einmal im Monat für fünf bis zehn Minuten anrufen“, erzählt Li der DW. „Während des Telefonats spricht vor allem Zhang. Sie fragt, wie es ihrer Mutter geht, aber sie erzählt nicht viel über ihre Haftbedingungen. Während der Telefonate klingt Zhang nach Einschätzung der Mutter optimistischer als zuvor, ihr Zustand könnte sich also verbessert haben.“

In einem Brief, den ihr Bruder im vergangenen Monat auf Twitter teilte, fragt Zhang, wie es der Familie gehe, und erzählt, die Polizei habe ihr geraten „stärker zu sein“ und „sich nicht zu viele Sorgen zu machen“, da sich dies weder auf ihren Fall noch auf ihre Haftbedingungen positiv auswirken würde. Zhang betont, wie sehr sie ihre Mutter vermisse, äußert aber auch die Hoffnung, dass diese etwas loslassen könne, da sie dazu neige, „verletzlich, leicht entmutigt und pessimistisch“ zu sein.

Li berichtet, dass Zhang die Briefe in den vergangenen Monaten mit Zeichnungen versehe – das zeigen auch die von Zhangs Bruder geteilten Bilder. „Ihre Mutter glaubt, dass diese Zeichnungen auf den Umschlägen und Briefen ein Zeichen dafür sind, dass sich Zhangs psychische Verfassung verändert hat“, erzählt Li. „In einem der Briefe zeichnete sie viele Pinguine, die für die vielen Male stehen, die sie an ihre Mutter denkt.“

Selbst wenn es Zhang seelisch einigermaßen gut gehen könnte, so machen sich Aktivisten, die ihren Fall genau verfolgen, doch Sorgen über ihr körperliches Wohlbefinden. Laut Rechtsanwalt Li wog die Bürgerreporterin bei ihrem jüngsten Videogespräch mit ihrer Mutter nur etwa 41 Kilo – viel zu wenig für eine Person mit einer Körpergröße von 1,77 Metern.

„Ihr Gewicht ist der wichtigste Hinweis darauf, dass Zhang Zhan weiterhin in Gefahr sein könnte“, sagt Jane Wang, eine Aktivistin, die sich seit der Verhaftung Zhangs für ihre Freilassung einsetzt. „Möglicherweise befindet sie sich noch immer in einer Form von Hungerstreik oder ihr Körper hat so schweren Schaden genommen, dass es ihr schwerfällt, zu essen oder das zu sich Genommene zu verdauen.“…Trotz der Sorge um Zhangs Gesundheitszustand bietet ihr Brief doch auch ein wenig Hoffnung, dass sie entschlossen ist, ihren Gefängnisaufenthalt zu überleben. Sie schreibt: „Und wäre ich ein geknicktes Rohr, ich werde nicht brechen. Wäre ich ein glimmender Docht, ich werde nicht verlöschen.“ „Der Herbst kommt und auch der Winter, aber bitte seid nicht traurig, denn der Frühling ist schon bei Schnee und Regen eingezogen. Die Samen sind bereit, aus dem Boden zu sprießen, damit sie sich entfalten können, wenn der Tag kommt“, fährt Zhang in ihrem Brief fort. Obgleich der Brief mehrere traurige Passagen enthält, zeigen ihre Worte doch, dass sie spirituell stark sei, meint die Aktivistin Jane Wang: „Ihre Familie und ihre Freunde konnten ihre Entschlossenheit spüren. Es ist traurig, zu lesen, wie sie versucht, ihre Mutter zu trösten, aber es wird auch deutlich, dass sie ihrer Familie positive Energie senden und ihr trotz ihrer Abwesenheit beistehen will. „Die Familie von Zhang hatte versucht, eine Freilassung aus medizinischen Gründen zu erwirken, doch dieses Thema spricht ihre Mutter nicht länger an, erzählt Anwalt Li. „Ihr bleiben noch ein Jahr und fünf Monate in Haft und ich hoffe, dass sie diese Zeit unbeschadet übersteht. Wenn sie wohlbehalten zurückkehrt, ist das ein Sieg.“ berichtet die DEUTSCHE WELLE im Januar 2023.

Quelle: South China Morning Post, www.tagesschau.de/ausland/china-prozess-bloggerin-101.html, TAZ vom 29.12.2020,

Deutsche Welle www.dw.com/de/china-zhang-zhans-brief-aus-dem-gef%C3%A4ngnis/a-64305859

Künstlerin: Susanne Köhler