Mordechai Vanunu, * 1954 Marokko, 1986 entführt und seitdem wiederholt in israelischer Haft

Mordechai Vanunu, * 1954 Marokko, 1986 entführt und seitdem wiederholt in israelischer Haft

Mordechai Vanunu ist ein Nukleartechniker und Whistleblower, der die Welt 1986 davon in Kenntnis setzte, daß Israel ein geheimes Atomwaffenprogramm besass, welches heute auf bis zu 200 Atombomben und bis zu 400 Sprengköpfe geschätzt wird. 

Vanunu wuchs in einer frommen jüdisch-marokkanischen Familie auf, die 1963 von Marokko nach Israel auswanderte. Sein Vater war Rabbiner. Nach dem Militärdienst studierte Vanunu zunächst ein Jahr lang Physik, bevor er das Studium aus finanziellen Gründen abbrechen musste. Er arbeitete von 1976 an als Kontrolleur der Nachtschicht im von der israelischen Regierung lange geheim gehaltenen Dimona Nuclear Research Center im Negev, 90 km südlich von Jerusalem. Daneben besuchte er an der Universität Philosophiekurse, wechselte dabei vom politischen rechten ins extreme linke Lager und trat schließlich der Kommunistischen Partei bei. 1985 wurde er in Dimona mit 180 anderen Arbeitern entlassen. Auf einer Weltreise trat er zum Christentum über.

Bald darauf ging er mit der Behauptung, dass Israel Atommacht geworden sei, an die Öffentlichkeit: in Dimona werde weiträumig abgeschirmt von der Öffentlichkeit und als Textilfabrik getarnt Plutonium anreichert und schon seit den fünfziger Jahren Nuklearsprengköpfe entwickelt. Dabei hatte nicht nur Frankreich, sondern auch das mit Israel eng befreundete Apartheid-Regime in Südafrika geholfen. Vanunu hatte Beweise, hatte heimlich seinen Arbeitsplatz fotografiert und Kontakt zu einem englischen Journalisten aufgenommen. Dieser brachte ihn 1986 nach London und bereitete einen Artikel in der SUNDAY TIMES vor. Noch bevor dieser am 5. Oktober erschien, erlag Vanunu dem Charme einer Mossad-Agentin, die ihn nach Rom lockte. Dort wurde er sofort von weiteren Agenten ergriffen, betäubt und am 30. September mit einem Schiff nach Israel entführt. Ministerpräsident war damals Schimon Peres. In einem geheimen Verfahren wurde Vanunu wegen Spionage und Landesverrat zu 18 Jahren Haft verurteilt. Elfeinhalb Jahre davon verbrachte er in Einzelhaft. Kein Antrag auf Hafterleichterung, kein Protest internationaler Menschenrechtsorganisationen, kein Appell von Nobelpreisträgern wie Kenzaburo Oe und Günter Grass brachten eine Erleichterung seiner Haftbedingungen. 

Kurz vor dem 50. Jahrestag der Staatsgründung Israels wurde er in den normalen Strafvollzug verlegt. Eine Begnadigung lehnte Staatspräsident Weizmann jedoch ebenso wie ein Berufungsgericht die Entlassung auf Bewährung ab. Begründung: er könne immer noch Geheimnisse preisgeben. 

Die USA als Hüter des Monopols auf Nuklearwaffen haben nie zugunsten des Häftlings interveniert.

Ausgangspunkt der Nuklearrüstung Israels war die Lieferung eines Atomreaktors durch Frankreich, die Peres erreicht hatte. Eine Kontrollkommission ließ sich im Mai 1961 über den wahren Charakter der »Fabrik« täuschen und zog ohne Verdacht wieder ab. 1969 kamen Golda Meir und Richard Nixon zu einem Deal nuklearer Doppelgleisigkeit: Israel durfte so lange Nuklearwaffen haben und sie produzieren, wie es sie nicht zugibt. 

Bis heute ist Israel eine inspektionsfreie Zone. Die Forderungen der arabischen Staaten, nicht nur dem Irak, Iran, Libyen und Nordkorea, sondern auch Israel jegliche Nuklearrüstung zu untersagen und alle Länder regelmäßigen Inspektionen zu unterziehen, wurden nicht einmal diskutiert.

2004 wurde Vanunu unter strengen Auflagen freigelassen. Unter anderem darf er Israel nicht verlassen, darf sich keiner ausländischen Botschaft nähern und muss über geplante Ortswechsel Rechenschaft ablegen. Außerdem darf er weder das Internet noch Handys benutzen, und jeder Kontakt mit ausländischen Journalisten ist ihm verboten. Trotz der Auflagen hat er bereits über 100 Interviews gegeben, weswegen er mehrmals inhaftiert wurde.

Im November 2004 meldete die israelische Tageszeitung HAARETZ die erneute Festnahme von Vanunu. Er habe geheime Informationen weitergegeben. Er wurde jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt, die strengen Auflagen wurden allerdings für ein weiteres Jahr verlängert. Zusätzlich wurde gegen ihn im Zusammenhang mit der erneuten Festnahme Anklage in 21 Punkten erhoben.

Bereits 1987 wurde ihm der ‚Alternative Friedensnobelpreis‘ zuerkannt; mehrfach wurde er für den Offiziellen vorgeschlagen. 2005 forderte Vanunu selbst, ihn von der Vorschlagsliste zu streichen: er wolle nicht als Kandidat für diese Ehrung in einer Reihe stehen mit Shimon Peres, der  den Reaktor errichtet und das israelische Nuklearwaffenprogramm entwickelt habe.

2005 lehnte Norwegens Regierung seinen Antrag auf politisches Asyl unter Hinweis auf außenpolitische Interessen ab, wie 2004 bereits Schweden.

Im Juli 2007 entschied ein israelisches Gericht, dass Vanunu wieder für sechs Monate ins Gefängnis muss. Es hatte ihn schon im April schuldig befunden, Kontakt zu Ausländern gehabt und damit gegen Auflagen der Justiz verstoßen zu haben. Wegen der Verurteilung aus dem Jahre 2007 musste er 2010 eine dreimonatige Haftstrafe antreten. Er hatte die Wahl, drei Monate ins Gefängnis zu gehen oder gemeinnützige Arbeit zu verrichten. Vanunu wollte die gemeinnützige Arbeit im arabischen Ostteil von Jerusalem verrichten, da er sich im jüdisch-bevölkerten Westteil Jerusalems durch Attacken von wütenden Israelis bedroht fühlte. Dies wurde ihm untersagt, sodass er die Haft antreten musste. Die ‚Carl-von-Ossietzki-Medaille‘ der ‚Internationalen Liga für Menschenrechte‘ musste ihm in Abwesenheit verliehen werden.

Im Mai 2015 heiratete er seine langjährige Partnerin, eine norwegische Theologie-Professorin. Bereits 2007 und 2010 war er aufgrund seines Kontakts zu ihr verhaftet worden, da die Behörden darin einen Verstoß gegen seine Bewährungsauflagen sahen. Im Frühjahr 2015 wurde sein Antrag auf Ausreise aus Israel, um an der Seite seiner in Oslo arbeitenden Ehefrau leben zu können, von den israelischen Behörden nach einer Verlängerung seiner Auflagen um ein weiteres Jahr abgelehnt.

In seiner Rede vom 11. Mai 2005 vor der Überprüfungskonferenz der UNO zum Atomwaffensperrvertrag sagte Daniel Ellsberg, der als Whistleblower die sogenannten ‚Pentagon-Papers‘ öffentlich gemacht hatte:

„Mordechai Vanunu hat sich in der Vergangenheit für eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten und die weltweite Abschaffung von Atomwaffen ausgesprochen und wird dies auch weiterhin tun. Er wird weiterhin alles Wissen preisgeben, das zur Förderung dieser Ziele beitragen kann. Es ist aber absurd zu behaupten, wie dies der Leiter des israelischen Sicherheitsapparates tut, dass die Enthüllung weiterer Einzelheiten aus seiner Zeit in Dimona vor 19 Jahren durch Vanunu heute noch die nationale Sicherheit Israels untergraben könnte. Ist doch noch nicht einmal nach Vanunus Enthüllungen von 1986 ein Schaden für Israels Sicherheit nachzuweisen. Vielmehr soll lediglich seine Gefängnisstrafe auf unbegrenzte Zeit verlängert werden, die Strafe, die er dafür erhielt, dass er unerlaubt die Wahrheit aussprach. Das abschreckende Signal an andere potentielle Vanunus – in Israel oder sonst wo – könnte nicht klarer ausfallen.“

Es ist höchste Zeit, dass der Rest der Welt zusammen mit Mordechai Vanunu fordert, dass Israel seinen Status als Atomwaffenstaat mit einem großen und wachsenden Arsenal zugibt und dass alle Atomwaffenstaaten – einschließlich Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea, vor allem aber die USA und Russland – konkrete und zeitgebundene Schritte hin zur globalen, verifizierbaren Abrüstung von Atomwaffen verhandeln.

Quelle: wikipedia, Anti-Atom-Aktuell

Text: Martin Nesemann und Susanne Köhler

Künstler: Martin Nesemann