Sophia Huang Xueqin (黄雪琴), * 1988 China, in chinesischer Haft seit 2021
Die Investigativ-Journalistin Sophia Huang erfährt seit 2017 sehr viel Aufmerksamkeit, nachdem sie im Zusammenhang mit der #MeToo-Thematik zunächst ihre eigenen Erfahrungen veröffentlichte. Anschließend konnte sie viele chinesische Frauen darin bestärken, ebenfalls über erlebte sexuelle Übergriffe zu berichten. Sie veröffentlichte u. a. auf der Plattform MATTERS. Sie arbeitete u.a. für das chinesische Radio-Lifestyle-Magazin SOUTHERN METROPOLIS WEEKLY.
Sophia Huang war bis zu ihrer Inhaftierung eine viel gefragte Interview-Partnerin internationaler Medien. Zusätzlich zu ihrem Engagement für Frauen fiel sie der chinesischen Führung durch einen während ihres Studiums geschrieben Aufsatz über die prodemokratische Protestbewegung in Hongkong auf.
Bereits in ihrer Kindheit erlebte Sophia Huang besondere Umstände, da sie als zweites Kind im damaligen kommunistischen „Ein-Kind-China“ auf die Welt kam und zunächst von ihrer Familie versteckt gehalten werden musste.
Prägend für ihren Aktivismus waren ihre Aufenthalte außerhalb ihrer Heimat China, welche ihr andere Perspektiven auf ihr Land ermöglichten und sie zum Handeln bewogen. Hierzu zählt ihr Stipendium in Singapur im Jahr 2017 und ihr Studium der Rechtswissenschaft in Hongkong.
Im Oktober 2017 initiierte die 29-jährige Huang eine Umfrage über die Erfahrungen chinesischer Journalistinnen mit sexueller Belästigung und sammelte 416 Antworten. Am 7. März 2018 wurde auf der Grundlage dieser Umfrage ein Bericht über sexuelle Belästigung von chinesischen Journalistinnen veröffentlicht. Dem Bericht zufolge hatten mehr als 80 % der Journalistinnen sexuelle Belästigung erfahren. 42,2 % der Journalistinnen, die an der Umfrage teilgenommen hatten, waren mehr als einmal sexuell belästigt worden.
Im Juni 2021 erhielt sie ein von der britischen Regierung finanziertes Stipendium für Gender Studies an der University of Sussex. Als sie dieses im September 2021 antreten wollte, wurden sie und der Anwalt für Arbeitnehmerrechte, Wang Jianbing, kurz vor ihrer Abreise nach England verhaftet. Der Anwalt wollte sie lediglich zum Flughafen bringen.
Auslöser dürfte zum einen Sophia Huangs starkes #MeToo-Engagement gewesen sein. Durch die öffentliche Aufmerksamkeit sah sich die chinesische Regierung zum Handeln gezwungen und kündigte an, gegen sexuelle Belästigung an chinesischen Universitäten einzuschreiten.
Zum anderen fiel sie durch ihre Schriften über die prodemokratischen Proteste in Hongkong auf.
Bereits am 9. Juni 2019 hatte Huang an einem Protest gegen das Auslieferungsgesetz für Hongkong teilgenommen und über ihre Erfahrungen auf der Plattform MATTERS geschrieben. Von Oktober 2019 bis Januar 2020 war sie wegen „Anzetteln von Streitigkeiten und Provozieren von Ärger“ erstmals inhaftiert worden. Sie kam damals gegen Kaution frei.
Über die Festnahme am 19. September am Flughafen wurden ihre Familien erst zwei Monate später von den Behörden informiert.
Beiden wird „der Verdacht der Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht“ zur Last gelegt, da sie Treffen organisiert hatten, um Menschen mit Problemen am Arbeitsplatz oder durch Diskriminierung (z.B. LGBT) zu helfen.
Nun drohen beiden mehrere Jahre Haft.
Die Haftbedingungen sind sehr willkürlich. Wang Jianbing erhielt im April 2022 erstmalig virtuellen Kontakt zu einem Rechtsbeistand. Dieser Rechtsbeistand berichtete, dass sich Anwalt Wang unter schlechten Bedingungen in der Haftanstalt Nr. 1 der Stadt Guangzhou in Einzelhaft befand. Er erhielt keine regelmäßigen Mahlzeiten und musste stundenlange Verhöre über sich ergehen lassen.
Im Juni 2024 wurde Sophia Huang zu 5 Jahren und der Arbeitsrechtsaktivist Wang Jianbing zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Diese Entscheidung wurde beiden erst im September mitgeteilt. Ihre Rechtsbeistände waren nicht darüber informiert worden, dass heimlich ein Urteil erlassen worden war. Dadurch wurden den zwei Aktivist*innen das Recht auf Verteidigung genommen. Beide waren der „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ für schuldig befunden worden.
Die Staatsanwaltschaft hatte unter anderem vorgebracht, die beiden hätten wöchentliche private Treffen mit Aktivist*innen organisiert, um über die Herausforderungen der Zivilgesellschaft in China zu diskutieren, und Schulungen zu „gewaltfreien Bewegungen“ organisiert und daran teilgenommen. Beide sind gesundheitlich angeschlagen, erhalten aber keinen angemessenen Zugang zu medizinischer Versorgung.
Stand der Recherche: September 2024
Quellen:
https://www.dw.com/de/sophia-huang-hongkong-war-dann-doch-zu-viel/a-50985080
https://taz.de/Journalismus-in-China/!5803499/
https://en.wikipedia.org/wiki/Huang_Xueqin
https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/china-sophia-huang-xuepin-und-Wang-Jianbing-unter-anklage-2022-05-19
https://www.bbc.com/news/av/world-asia-china-61467135
https://www.news.com.au/world/asia/new-details-emerge-into-missing-chinese-journalist-sophia-huang-xueqin/news-story/ba38fca2ed48e434cb4a2e2aef8279d3
https://en.wikipedia.org
Künstlerin: Ernestine Kuger-Hoberg
Text: Brigitte Zeller-Jäpel, Gerhard Keller
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